Vorstellen muss man Dorothea Kehr alias DOTA eigentlich nicht mehr. Die eigenwillige Musikerin, die einst als Straßenmusikerin („Kleingeldprinzessin“) begann, hat sich längst in der deutschen Musikszene etabliert. Eines ist sie dabei jedoch nie geworden – Mainstream. Und auch wenn sie auf ihrem neuen Album soundtechnisch zum Teil neue Wege geht, bleibt sie dabei doch stets unverwechselbar sie selbst.
Musikalisch ließ sich DOTA schon immer schwer fassen: Folk, Art-Pop, Jazz, Singer/Songwriter, Bossa Nova und noch einige Genre-Schubladen mehr könnte man als ebenso passend wie unpassend anführen. Damit lässt sich die Künstlerin im besten Sinne als „schubladenfrei“ bezeichnen. Auf „Keine Gefahr“ erweitert sie ihren Sound um eine bislang von ihr eher unbekannte, elektronische Komponente. Fassbar wird das sehr gut bei „Vergiftet“. Der Song, der übrigens an Aktualität nicht ein μ eingebüßt hat, war in einer Live-Version bereits auf ihrem 2008er Album „In anderen Räumen“ enthalten. Mit Hilfe der modernen Technik bekommt er ein neues Gewand übergestülpt, das allerdings das alte nicht gänzlich verdeckt, sondern eher ergänzt und komplettiert und ihn dadurch nur noch kraft- und druckvoller macht. Seltsamerweise fällt einem der neue Sound zwar auf, aber dann auch irgendwie wieder nicht – man hat das Gefühl, elektronische Beats und Synthi-Klänge wären schon immer ein Teil ihrer Musik gewesen.
Diese Musik, so hochklassig und versiert sie auch dargeboten sein mag, ist jedoch nicht alles und eigentlich auch nicht das Wichtigste. Was DOTA wirklich ausmacht ist zum einen ihre unverwechselbare Stimme und vor allem natürlich sind es ihre Texte. Mal auf gesellschaftlicher oder Meta-Ebene, mal introspektiv und persönlich, mal schonungslos direkt, mal in Umschreibung oder nur in Andeutungen aber immer ehrlich und authentisch verarbeitet DOTA auf „Keine Gefahr“ verschiedenste Themen wie fremd sein, Abhör- und Kontrollwahn, Umweltzerstörung, Grenzen, Freiheit, Abenteuerlust, Flüchtlinge, Intimität, Ängste und viele mehr.
Damit hält DOTA ihrer Umwelt wieder einmal den „Spiegel der Zeit“ vor und ist dabei – auch wie immer – ganz dicht an deren Puls. Die Texte wirken oft leicht und unbeschwert und sind doch wortgewaltig im positiven Sinne. Wobei „Gewalt“ hier aber tatsächlich der falsche Ausdruck ist, denn wofür andere den Holzhammer brauchen schafft DOTA auf scheinbar spielerische und unaufgeregte Weise und mit einem Gefühl für Sprache und Poesie, das seinesgleichen sucht.
Wie schon der Vorgänger „Wo soll ich suchen“ besticht „Keine Gefahr“ dadurch, dass man die Scheibe immer und immer wieder hören kann, ohne dass es auch nur ein bisschen langweilig wird. Man entdeckt immer wieder neue Facetten – das gilt für die Texte wie für die Musik. Für mich schon jetzt ein Anwärter auf DAS Album des Jahres 2016, und das sage ich, ohne das Gefühl zu haben, mich damit all zu weit aus dem Fenster zu lehnen.
Tracklist:
1. Mantel
2. Grenzen
3. Vergiftet
4. Stille Wasser
5. Rennrad
6. Weit, Weit, Weit
7. Die Diebe
8. Unter Einem Jahr
9. Keine Gefahr
10. Nah
11. Spiegel Der Zeit
12. Floss
13. Monster