Dota – Wo soll ich suchen (CD-Review)

dota - wo soll ich suchen - cover

Die Liedermacherin Dorothea Kehr, genannt DOTA, veröffentlichte mit „Wo soll ich suchen“ ihre mittlerweile bereits elfte CD. Zieht man die Live-Aufnahmen ab, bleiben immerhin neun Studioalben. Ein beeindruckendes Œuvre für eine Künstlerin, die nach wie vor irgendwie immer noch als „Underground“ gilt.

Natürlich ist sie das nach nunmehr zehn Jahren schon lange nicht mehr, so erhielt sie etwa 2007 den deutschen Kleinkunstpreis und spielte auf Einladung des Goetheinstituts unter anderem in Russland, Neuseeland und Zentralasien. So richtig Mainstream ist ihre Musik aber eben auch nie geworden. Dass dem so ist, liegt vielleicht auch ein wenig in ihrer eigenen kompromisslosen Haltung begründet. Denn lange bevor sie von offizieller Stelle zur Repräsentantin deutscher Kultur im Ausland gemacht wurde, war DOTA als Straßenmusikerin in der ganzen Welt unterwegs, daher rührt auch ihr alter Beiname „Die Kleingeldprinzessin“. Die Freiheitsliebe aus diesen Tagen hat sie bis heute behalten. Plattenvertrag? Fehlanzeige. Da gründete DOTA lieber ihr eigenes Label und vermied es dadurch sich künstlerisch auch nur einen Deut verbiegen zu müssen.

Ein Schritt, für den man dankbar sein muss, denn so ist DOTA auch auf ihrem neuen Album vor allem eins: Zu hundert Prozent authentisch. Wie schon auf den Vorgängern erweist sie sich als eine genaue Beobachterin der Welt, in der wir leben, ob es um größere Zusammenhänge oder auch nur darum geht, dass man den Tanz zweier Falter beobachtet und in der Schönheit des Augenblicks versinkt. DOTA versteht es meisterhaft solche Momentaufnahmen, mit einem fast schon unheimlichen Gefühl für die Schönheit der Sprache, in intelligente und gleichzeitig wunderbar poetische Texte umzusetzen. Gehirnfutter, das trotzdem mitten ins Herz trifft. Schon der Opener „Hoch oben“ bringt in mir die Sehnsucht nach dem Fliegen so sehr zum klingen, dass es einen REINHARD MEY erblassen lässt.

Den Vergleich mit den Großen der deutschen Liedermachertradition muss DOTA tatsächlich in keinster Weise fürchten. Ganz im Gegenteil, sie ist den meisten meilenweit voraus, denn die Berlinerin hat eine ganz besondere Gabe. Besonders deutlich wird diese auf dem neuen Album vielleicht an den beiden Stücken „Du musst dich nicht messen“, in dem Gesellschaftskritik in die Ansprache eines geliebten Menschen verpackt wird, oder dem Titeltrack, der die sehr intime Sehnsucht nach dem besonderen Menschen im Leben transportiert. Man fühlt sich von diesen, aber auch von den anderen Songs immer persönlich berührt und dadurch mit der Person auf der Bühne oder in den Boxen irgendwie verbunden. Diese Art Intimität zu erzeugen vermögen nur sehr, sehr wenige Künstler.

Bei allem Lob für die Texte darf man natürlich nicht übersehen, dass Dorothea Kehr auch eine brillante Musikerin ist, die nicht nur mit Worten, sondern auch mit musikalischen Stilrichtungen virtuos spielen kann. Das beweist sie auch auf „Wo soll ich suchen“ einmal mehr: „Warten auf Wind“ und „Konfetti“ kommen beispielsweise veritabel rockend, „Das Wesen der Glut“ stattdessen als fröhlich swingender Bossa daher. Völlig anders dagegen das bereits erwähnte „Zwei Falter“, das ganz reduziert mit wenig Gitarre, Melodika und Glockenspiel auskommt.

Obwohl sie auf dem Album wieder von ihrer langjährigen Band unterstützt wird, trägt es diesmal allein ihren Namen. Warum verriet die Künstlerin auf ihrer Facebook-Seite: „Wir haben einvernehmlich beschlossen, den Namen „Stadtpiraten“ abzulegen. Deshalb steht auf der CD nur DOTA.“ Neben Jan Rohrbach (E-Gitarre, Melodika), Leon Schurz (Bass) und Nicolai Ziel (Schlagzeug) müssen bei den Aufnahmen aber auch einige Gastmusiker im Studio vorbeigeschaut haben, denn bei manchen Songs lassen sich deutlich Streicher („Hoch oben“, „Rauschen“, „Risse“) und Bläser („Konfetti“, „Im Tausch“) vernehmen.

Fazit: „Wo soll ich suchen“ gleicht einem guten Buch, das man zum einen aufmerksam lesen muss, denn manche Texte lassen sich in ihrer Dimension beim ersten Durchlauf gar nicht erfassen. Zum anderen ist damit auch klar, dass man es mehrmals lesen – sprich hören – kann, ohne dass es einem jemals langweilig wird. Immer wieder entdeckt man neue, ungeahnte Aspekte oder stolpert über Zeilen, die sich eben nur in der ganz persönlichen, momentanen Situation oder Stimmungslage in Gänze erschließen. In dieser Weise sind auch die hier genannten Anspieltipps zu verstehen, die, wenn ich die Rezension erst morgen schreiben würde, schon wieder ganz andere sein könnten. Wenn man selbst poetisch werden wollte, könnte man sagen: Ein Album wie ein leichter Sommerwind und gleichzeitig tief wie der Ozean. Oder man sagt schlicht und einfach: Großartig!

Anspieltipps: „Hoch oben“, „Wo soll ich suchen“, „Im Tausch“

Tracklist:

1. Hoch oben
2. Warten auf Wind
3. Sommer
4. Das Wesen der Glut
5. Du musst dich nicht messen
6. Stadt am Meer
7. Zwei Falter
8. Wo soll ich suchen
9. Konfetti
10. Im Tausch
11. Rauschen
12. Licht
13. Risse

[Kleingeldprinzessin Records / Broken Silence]

Florian Hessler

Über Florian Hessler

Archäologe, Historiker und freier Journalist (u.a. Zillo Medieval, Sonic Seducer, Miroque, Metal-District, Piranha) floh.hessler(at)schubladenfrei.de
Dieser Beitrag wurde unter Gehört, Musik abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.