Es hat gedauert, aber nun ist es endlich soweit: Am 26.09. erscheint das lange angekündigte neue Album aus dem Hause WALDKAUZ mit dem Titel „Labyrinth“. Wir haben vorab schon mal reingehört, um zu prüfen, ob das viel zitierte Motto „Was lange währt…“ in diesem Fall zutrifft.
Vier Jahre sind ins Land gegangen seit der Veröffentlichung des letzten Longplayers „Mythos“, eine lange Zeit, in der viel passiert ist. Da waren zunächst die zahlreichen Bandumbesetzungen nach dem Weggang von Gina, und dann, als man Ende 2019 endlich wieder ein festes Lineup gefunden hatte, kam prompt im März 2020 die Pandemie. Jede Menge Probleme und Rückschläge also, die es zu bewältigen gab, aber die Band hat sich dadurch nicht kleinkriegen lassen und stattdessen viel Energie und Kreativität in das neue Werk investiert. Da ist eine Menge Herzblut geflossen, und das, soviel sei vorab schon einmal verraten, hört man dem Album auch durch und durch an.
Einen gewissen Eindruck konnte man sich ja bereits durch die vorab veröffentlichten Singles „Danse Macabre“, „Beltane“, „Schwingen“ und „Kein rechter Weg“ verschaffen. Eigentlich eine recht repräsentative Auswahl, die die große Bandbreite von „Labyrinth“ schon im Vorfeld wunderbar erahnen ließ.
Aber fangen wir von vorne an:
Nach dem sehr mystisch-dramatischen Intro „The Gate“, das auch gut am Beginn eines Filmsoundtracks oder als Opening zu einer Serie oder einem Computerspiel denkbar wäre, folgt mit dem Titeltrack des Albums gleich ein sehr schwungvoller, beinahe rockiger Einstieg, der sich mit dem bereits bekannten „Beltane“, das dann noch steigert. Da beginnen die Tanzbeine schon ordentlich zu zucken. Das ebenfalls bereits vorher bekannte „Schwingen“ nimmt dann ein wenig den Fuß vom Gas und kommt eher melancholisch-verträumt aber dennoch mit einem gehörig druckvollen Fundament daher.
Mit „He Missed The Stars“ folgt das ruhigste Stück des Albums. Die Ballade wirkt jedoch nicht zuckrig, sondern erzeugt durch die gleichförmigen männlichen Vocals und deren Abmischung eine Art „Haunting“ Effekt, der mich ein kleines bisschen an die Melancholie von Songs wie „I Am Stretched On Your Grave“ von Dead Can Dance erinnert. Zählt definitiv zu meinen Lieblingsstücken auf „Labyrinth“.
„Bayushki Bayu“ setzt das „Haunting“-Thema dann fort, jedoch auf etwas andere Weise. Dem Originaltext des traditionellen russischen Wiegenlieds wurde ein eigener, englischen Text vorangestellt, der inhaltlich eher latent bedrohlich daher kommt.
Das anschließende, energiegeladene „Epane“ ist DAS Tanz-Ding auf dem Album. Wenn die Kauze das direkt zusammen mit „Baba Yaga“ vom Vorgänger in ihre neue Setlist packen, könnte es auf den zukünftigen Konzerten schweißtreibend werden – aber ich will ja hier niemanden auf Ideen bringen…
Nach der ekstatischen körperlichen Verausgabung folgt dann ein Stück, das ein ebenso mächtiges und unmissverständliches Statement setzt, für das man WALDKAUZ (und allen anderen Kolleg*innen im Video zum Song) in Zeiten, in denen man mancherorts schon als linksextrem gilt, wenn man sich klar gegen Nazis positioniert, gar nicht genug Respekt zollen kann! „Zwischen Euch und Eurem Reich stehen wir – hier scheitert Ihr!“ – Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer vielleicht, dass es sich bei „Kein Rechter Weg“ nebenbei auch um einen musikalisch bombastischen Track mit Gänsehautgarantie handelt.
Musikalisch bombastisch geht es auch weiter: Wenn ich beim Opener „Labyrinth“ schon von rockig gesprochen habe, ist „Danse Macabre“ für mich Pagan Folk gewordener Prog Rock, und das liegt nicht nur am grandiosen Drum-Part. An der Stelle ist ein dringender Appell an alle potentiellen Hörer*innen angebracht: Bitte, bitte tut Euch selbst und den Künstler*innen den Gefallen und hört das Stück mit guten Boxen oder einem guten Kopfhörer und wenn möglich auch nicht zu leise! Gilt selbstverständlich auch für den Rest des Albums, aber hier besonders.
Habe ich oben geschrieben, „Epane“ sei „das Tanz-Ding“ auf dem Album? „Ariadnes Faden“: Hold my beer! Den Andro kann man klassisch oder auch im Freestyle vertanzen, ruhig stehen bleiben ist jedenfalls keine Option.
Das nachfolgende „Far Vel“, bei dem übrigens Faber Horbach vom befreundeten niederländischen Musikprojekt SOWULO als Gast zu hören ist, beginnt als mystische Nordic-Nummer und steigert sich im Lauf von 10 Minuten (!) zum Ende hin dann zu einem absolut hypnotischen Trance-Chant. Auch eines meiner Highlights auf dem Album und definitiv auch ein Track, auf den ich mich live sehr freue!
Mit dem vorletzten Stück „Home“ beweisen WALDKAUZ dann wie schon mit „Raigan Dannsa“ auf dem Vorgänger (dort übrigens auch an der vorletzten Stelle – Zufall?) einmal mehr ihr Gespür für wunderschöne, warme und gleichzeitig sehnsuchtsvolle Melodien, die der Grenze zum Kitsch einmal von Ferne winken, sie jedoch nicht überschreiten. Einfach nur zum Wegträumen schön.
Das komplett choral / a cappella gehaltene „Des Dichters Segen“ entlässt den Hörer mit wunderschön gesungenen Harmonien schlussendlich wieder in die Realität.
Ich muss gestehen, dass ich vor dem ersten Hören des Albums doch ein wenig Bammel hatte, denn „Mythos“ war für mich wirklich ein Game-Changer. Ein Werk, mit der die Band eine Art Warp-Sprung schaffte, eine der handverlesenen Scheiben, die ich immer wieder gerne hören werde. Wie also fällt nun, nach mehrmaligem Hören, mein Urteil über den Nachfolger aus?
Vielleicht fehlt dem Album ein wenig dieses „Sprung-Moment“, aber das ist gar nicht als negativ zu sehen. Man hat schlicht und einfach den Warp-Speed beibehalten und ist ohne abzubremsen oder umzudrehen den Weg konsequent weiter gegangen und bewegt sich dabei auch mal über die üblichen Genregrenzen hinaus. Kein Sprung, eher eine kontinuierliche Entwicklung, was dafür sorgt, dass sich „Labyrinth“ für mich unheimlich organisch anfühlt – tatsächlich sogar noch etwas mehr als sein Vorgänger. Mit „Mythos“ sind WALDKAUZ schon deutlich aus dem Schatten der großen Vorbilder getreten, nun scheinen sie sich mit dem neuen Line Up endgültig gefunden zu haben. Ob es Andi Douwts unaufdringliches und deshalb umso hervorhebenswerteres Bassspiel ist oder die Tatsache, dass die Neuzugänge Diana und Alana sich einfügen, als wären sie schon ewig Teil der Band – das Ganze klingt wirklich rund.
À propos rund… einigen mag aufgefallen sein, dass ich bis auf zwei kleine Ausnahmen eigentlich gar nichts zum Inhalt der Songs gesagt habe. Das hat sich einerseits tatsächlich einfach beim Schreiben so ergeben, andererseits ist es nun auch eine schöne Möglichkeit am Ende noch einmal auf das tolle Booklet hinzuweisen, das neben dem wieder wunderschönen Artwork natürlich alle Texte und auch immer kleine Hintergrundinformationen zu den Songs enthält.
Abschließen möchte ich meine Betrachtung mit etwas, das mir an „Labyrinth“ ganz besonders gut gefällt, nämlich dass es insgesamt eine großartige Dynamik, einen Spannungsbogen besitzt, angefangen vom Intro, über den schwungvollen Einstieg mit den ersten beiden Tracks, die kleine Atempause und die erneute beständige Steigerung, die sich dann wundervoll in den beiden letzten Stücken auflöst. Auch wenn das in Zeiten von Spotify und Co nicht mehr so wirklich in ist: Leute, hört doch öfter mal wieder ein Album in Gänze von vorne bis hinten durch, es lohnt sich meistens.
In diesem Fall lohnt es sich definitiv. Labyrinth ist kein Game-Changer – es ist ein Meilenstein!
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