Relativ viele junge Zuhörer waren am 03.05.2012 in die Nürnberger Tafelhalle gekommen, um für 1,5 Stunden der Sängerin und Schauspielerin Anja Franziska Plaschg zu lauschen. Um kurz vor acht schob sich die Menge die zwei Treppen nach oben zum Konzertsaal, in dem es zuletzt kaum noch freie Plätze gab. Während es noch hell war drang bereits leise Musik aus den Lautsprechern, behutsam wurde das Licht herunter gedimmt und mit der Helligkeit sank auch der Lautstärkepegel. Schließlich erfüllte Stille den Saal, nur hier und da war noch ein leises Flüstern, Rascheln oder Räuspern zu vernehmen, bis auch das schließlich verstummte. Lichtkegel flackerten auf und beleuchteten das Klavier und die Streichinstrumente, die an der hinteren Saalwand auf einem Podest erhöht aufgebaut waren: zwei Geigen, zwei Celli und ein Kontrabass waren Teil des Ensembles, das aktuell mit der Österreicherin auf Tour ist.
In einem weiten grauen Mantel, der ihr bis an die Knie ging, mit leicht verschlafenem Blick und gespenstisch weißem Gesicht kam die junge Musikerin auf die Bühne. Im Februar dieses Jahres erschien ihr neues Album „Narrow“ als Nachfolger der 2009 veröffentlichten Platte „Lovetune for Vaccum“ und diese beiden Werke bildeten die Grundlage des ebenso stimmigen wie vielseitigen Abends. SOAP&SKIN verschmolz klassische und elektronische Elemente mit poppigeren Passagen und erschuf dabei ein melancholisches, eindringliches Gesamtgefüge. Nach dem beatbasierten ersten Song wechselte Anja Plaschg ans Klavier, auf dem ihr Laptop parat stand, so dass sie ihn während der Show rasch selbst bedienen konnte. Ihre Stimme klang in dem Lied eine Spur süßer als im vorherigen, auch wenn sie ihre grundsätzliche raue Note beibehielt. Der Gesang wirkte nicht anbiedernd weich und klar, sondern natürlich und spontan. Er wurde von einer Backgroundsängerin unterstützt, die nur schwach beleuchtet hinten bei den anderen Musikern auf dem Podest stand. Überhaupt wurde der Saal kaum erleuchtet, der einzige wirklich helle Spot strahlte stets auf die Sängerin hinab.
Die spärliche Beleuchtung war sorgte für eine Reduzierung aufs Wesentliche, nämlich auf den düsteren Klangkosmos und die unheimlich starke Präsenz der Künstlerin. Nur selten warf diese einen rascher Blick zum Publikum, meist war sie völlig in ihr Spiel vertieft und ließ sich durch nichts dabei stören. Auch der Bühnenaufbau war statisch und lenkte nicht ab. Als direkt minimalistisch lässt sich die Inszenierung trotzdem nicht bezeichnen, war doch die Atmosphäre dafür durchgehend viel zu dicht. SOAP&SKIN beherrschte die Kunst, mit wenigen Mitteln viel zu erzielen und immer wieder für Gänsehaut zu sorgen.
Einige Lieder später war die komplette Bühne abgedunkelt. Anja Plaschg stand alleine in der Mitte, aus dem Hintergrund wurde Musik eingespielt. Es klang gehetzt, der Takt gleich einem schnellen Schrittrhythmus – der Song wäre der perfekte Soundtrack für eine futuristische Verfolgungsjagd gewesen, deren Beteiligte schon etwas außer Atem sind. Zum ersten Mal war die Musik direkt mitreißend, statt den Zuhörer vorsichtig zu packen und unmerklich mitzuziehen. Wieder endete das Stück sehr abrupt, bevor gleich anschließend für Kontrast gesorgt wurde. Schwer legten sich die vorsichtigen Klavierklänge des DESIRELESS-Coversongs „Voyage, Voyage“, für das die Sängerin von Englisch zu Französisch wechselte, über den Raum. Nacheinander setzten die Streicher ein und bereicherten die melancholisch Musik mit ihren warmen Klangfarben. SOAP&SKIN ist Zuhörmusik, die einfach auf die Bühne gehört und rasch jegliche Distanz zum Publikum überwand.
Für das düster-morbide „Vater“ folgte ein weiterer Sprachwechsel hin zu Deutsch. Das Stück begann zurückhaltender, steigerte sich dann bis zum verzweifelten Schreien. Künstlerin ging anschießend von der Bühne und hinterließ abwartende Stille. Nur der feine Nebel stieg noch immer auf. Nach einigen langen Momenten kam Anna Plaschg zurück an ihrem Platz am Klavier und begann wieder zu spielen, nur um nach einigen Takten wieder auszusetzen. Sie warf ein schüchternes, entschuldigendes Lächeln hin zum Publikum, das sie immer noch mit keinem Wort angesprochen hatte und hielt sich die Hand vors Gesicht. Nach dem Neueinstieg entsponn sich eine sanfte, verträumte Melodie die beim nächsten Stück von elektronischem Beat abgelöst wurde. Die Sängerin trat wieder ans vordere Mikrofon, wiegte sich hin und her und riss dann beide Arme nach oben, bevor sie begann, weniger zu tanzen als sich vielmehr unkontrolliert zu bewegen. Zuckend lief sie durchs Stroboskoplicht, mal zum Publikum blickend und mal von ihm abgewandt und wirkte dabei ebenso rastlos, wie sich auch die Musik anhörte. Als das Licht ausging und sämtliche Musiker die Bühne verließen dauerte es einem Moment bevor der leicht benommene Applaus einsetzte. Dieser wich ebenso wie die Pfiffe wieder Totenstille, sobald Anja Plaschg abermals am Klavier saß und, dieses Mal unbegleitet von ihrem Ensemble, ein zusätzliches Stück spielte.
Der Auftritt wirkte durch und durch authentisch und es schien, als ob die österreichische Künstlerin das Publikum beinahe schmerzhaft nah an sich heranlassen würde. Sie legt unglaublich viele Emotionen in ihre Stimme und verkörperte das Wechselbad der zwischen Trauer, Verzweifeln, Wut und Resignation pendelnden Gefühle absolut überzeugend. Die Musik ging unter die Haut und profitierte vom klaren, angenehmen Sound in der Tonhalle.
Am Merchandisestand gab es anschließend an die Veranstaltung nicht nur die Notenblätter fürs Klavier und die Musik auf Vinyl zu verkaufen, sondern, ganz den düstereren Thematiken entsprechend, sogar handgeschöpfte Schokolade mit Rotwein, Weihrauch, Kornblume und Blut.