Aufgemerkt, wertes Auditorum! Die sechs Herren von COPPELIUS waren in den vergangenen Wochen in Deutschland unterwegs, um ihr musikalisches „Extrablatt“ vorzustellen. Am 28.02.2013 fanden sich die Berliner im Hirsch in Nürnberg ein und rückten ihren außergewöhnlichen Kammer-Core dort wortwörtlich ins bestmögliche Licht.
Wie es sich für eine solch famose Kapelle geziemt reisten die Herren nicht allein, sondern wurden von CELLOLITIS begleitet. Eine Viertelstunde nach dem geplanten Beginn betrat Nikolaus Herdiekerhoff die Bühne. Eine warme Begrüßung wurde ihm zuteil: Vielen Gästen war er bereits aus dem vergangenen Jahr bekannt, unterstützte er COPPELIUS doch bereits damals auf ihrer Konzertreise. Nachdem er sich auf den Brettern, die die Welt bedeuten, häuslich eingerichtet hatte stellte er sich und sein Cello „Umbra“ mit ihren „Traummaßen der klassischen Musik“ erst einmal vor. Entspannt und humorvoll führte er durch sein Programm, präsentierte sein Rock/Pop-Stück „Himmelblau“ ebenso lässig wie den „Pachelbel Kanon in C“, der „noch 130 Jahre älter als die Herren“ ist oder sein persönliches Lieblingsstück „2017“, an dem auch das Publikum reichlich Gefallen fand. Es kam dem Auftritt deutlich zu Gute, dass der Musiker deutlich lockerer war als 2012, als der Auftritt im Hirsch den Tourstart markierte. Herdieckerhoff erzählte vom letzten Hirsch-Besuch, plauderte über die Zeit, in der er in Würzburg Cello studierte und verriet, dass ihn sein Weg damals regelmäßig nach Nürnberg zum Feiern führte – auch damit sammelte der Wahlberliner beim heimischen Publikum Sympathiepunkte. Am Ende Stück gab es noch ein Stück gemeinsam mit Comte Caspar – der Spaß daran war beiden anzusehen.
Dunkelheit: Nur an der Litfaßsäule auf der linken Bühnenseite brannte eine einsame Laterne. Hohe Häuserfassaden im Hintergrund boten eine angemessenen Kulisse für die extravagante Show, die folgen sollte. Die ersten Töne der Ouvertüre erklangen und Professor Mosh Terpin wagte sich nach vorne, um letzte Dinge auf der Bühne zu richten. Er ersetzte den erkrankten Butler Bastille nach besten Kräften, hob Mäntel auf, rückte Zylinder zurecht und servierte Band und Publikum gleichermaßen Getränke, doch schmerzlich vermisst wurde Bastille trotzdem. Nach und nach kamen die Musiker auf die Bühne und schließlich läutete „Bitte Danke Petitieren“ die Show ein, deren erste Hälfte im Zeichen des neuen Album stand. Zwar machten sich die Lieder auch im Vorfeld auf Schellackplatte gut, doch gehören Songs wie das trempramentvoll-eingängige „Welt im Wahn“ und das düstere „Locked out“ mit seinen wunderbaren Klarinettensoli einfach auf die Bühne. Öfter als in der Vergangenheit setzte die Band auf mehrstimmigen Gesang. Ein kluger Schachzug, harmonierten doch die unterschiedlichen Stimmen wunderbar miteinander. Überhaupt gab es gesanglich an diesem Abend einige Besonderheiten. Als es an der Zeit war, das SUBWAY TO SALLY-Cover „Maria“ zu spielen erkundigte sich die Band, ob die Zuschauer darin textsicher seien. Natürlich wurde die Frage bejaht, was auf der Bühne wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde: „Dann können wir das Lied spielen!“. An Stelle von Bastille übernahm Graf Lindorf dabei den Gesang und auch er stockte nur einmal, wobei ihm das Publikum augenblicklich unter die Arme griff. Auch an anderer Stelle durfte das Publikum aktiv werden, wurden doch einige Ansagen in Ermangelung des Butlers von Zuschauern übernommen.
Nachdem „Escapades I“ und die „Operation“ für Tempo gesorgt hatten bot die Ballade „Butterblume“, vorgetragen von Comte Caspar, erneut angenehme Abwechslung. Seifenblasen aus dem Publikum rundeten die Atmosphäre hier ab. Anschließend musste die Setlist noch einmal dem Abend angepasst werden: Um „Diener 5er Herren“ zu ersetzen durfte Max Copella noch einmal ans Mikrofon um sein Vorzeigewerk „Schöne Augen“ zu singen. COPPELIUS sind ein eingespieltes Team, die Musiker achteten stark aufeinander – und das nicht nur, um wie im Falle der beiden Klarinettisten die Fehler des anderen anzuprangern: Max Copella und Le Comte Caspar führen tatsächlich eine Fehlerstrichliste auf einer Schiefertafel. Einmal wurde die Diskussion schließlich dadurch beendet, dass Graf Lindorf dazwischen ging, sich das Stück Kreide nahm und Herrn Copella einen Fehler eintrug. Gerade solche Gimmicks und der unglaublich hohe Detailreichtum machen die oftmals kuriosen Auftritte immer wieder zu einem Erlebnis und lassen die Bühnencharaktere umso glaubwürdiger scheinen. An der ausgefeilten Show könnten sich die allermeisten anderen Bands noch eine große Scheibe abschneiden! Inzwischen war auch Sissy Voss aktiver, kam immer öfter mit dem Kontrabass nach vorne und letztendlich war sogar Zeit für ein ungewöhnliches Kontrabass-Solo, bevor beim echten Powersong „Risiko“ auch der Rest der Musiker wieder zu den Instrumenten griff. Hier stattete CELLOLITIS den Herren für einige Songs einen Besuch an und mit zwei Celli bekommen die Stücke eine ganz besondere Note.
Geld verbrennen macht gute Laune und so verbreitete „Reichtum“ ausgelassene Stimmung. Später segelten die Banknoten durchs Publikum und eine eine davon klebt schließlich auf der Stirn von Max Copella. Nur ein einziger Musiker schien sich trotz aller Beteuerungen etwas aus dem Reichtum zu machen: Zwischendurch strecke Sissy Voss immer wieder Geldscheine ein, die er den anderen Musikern vorzugsweise aus den Hemdtaschen zog. In der live gespielten Version klang das Stück noch fetter als auf dem Album – einfach eine phantastische Steampunknummer! Beim Abschlusslied des eigentlichen Sets sorgte die Inszenierung für besonderes Flair: Nur Graf Lindorf und Sissy Voss standen in Lichtkegeln, als die beiden das „Phantom of the Opera“ erklingen ließen, der Rest der Bühne war in Schwärze gehüllt. Kurz darauf befand sich noch ein Musiker weniger auf der Bühne, als es an diesem Abend ohnehin schon der Fall war. Le Comte Caspar hatte sich am Publikum vorbei ins hintere Drittel des Saales geschlichen, um die Zuhörer auf der Bar stehend mit einem rasante Klarinettensolo zu begeistern.
Auf das ausgewogene Set folgten nach stilechten „Da Capo“-Rufen natürlich noch einige Zugaben, die abermals laut vom Publikum bejubelt wurden, das ganz selbstverständlich mit Frack und Zylinder, eleganten Kleidern oder Korsett erschienen war. Nach dem IRON MAIDEN-Cover „Running Free“ durfte Graf Lindorf bei „To my Creator“ noch einmal den Platz am Mikrofon einnehmen, während Professor Mosh Terpin noch einen Auftritt mit Schellenkranz hatte. Das traditionelle coppelianische Schlusswort musste an diesem Abend jedoch weichen. Schlagzeuger Nobusama trat vor das Auditorium und erklärte den Anwesenden, was sie stattdessen rufen sollten. Und so laut, wie anschließend „Bastille, wir lieben dich!“ durch den Saal schallte, sollte der kranke Butler das auch noch im Tourbus gehört haben.
Ein gar exzellenter Auftritt voller „Glanz und Eleganz“ – COPPELIUS haben nicht umsonst den Ruf einer großartigen Livekapelle und seit dem vergangenen Jahr ist die Show eindeutig noch einmal gereift. Die Auftritte der Berliner sind ganz großes Kino, selbst wenn sie mit einem Bandmitglied weniger auf der Bühne stehen. Weiter so, werte Herren!
Setlist:
1. Ouvertüre
2. Bitte danke petitieren
3. I get used to it
4. Welt im Wahn
5. Locked out
6. Maria
7. Escapades I
8. Operation
9. Spieldose
10. Butterblume
11. Schöne Augen
12. Dreaming
13. Risiko
14. Habgier
15. Reichtum
16. Phantom of the Opera
…
17. Running Free
18. To my Creator