Nach dem Gaza-Krieg 2014 („Operation Protective Edge“) gründete sich dort die multinationale und -religiöse Frauenbewegung „Women Wage Peace“, der auch Mitglieder aller politischen Lager und sowie Frauen als auch Männer angehören. Anfangs wurden die in weißen Gewändern protestierenden Frauen nicht so recht ernst genommen, bis im letzten Herbst ihr zwei Wochen währender und in Jerusalem endender „March of Hope“ tausende auf die Beine brachte. Die israelisch-kanadische Songwriterin YAEL DECKELBAUM lieferte mit „Prayer Of The Mothers“ den passenden Soundtrack zum Marsch. Inspiriert durch den Erfolg dieser Aktion und den Erlebnissen beim „Womans March on Washington“ am 21. Januar diesen Jahres, rief sie das Musik-Projekt „Women Of The World Unite“ ins Leben und trägt die Idee der Bewegung damit um den Globus. Auf Einladung des Netzwerks „Justforwomen.berlin“ kam Yael zu einem Friedensmarsch am 16.06. nach Berlin. Am Abend zuvor gab sie ein Konzert in der Kreuzberger Passionskirche.
Auch das Konzert war vom Berliner „Just for Women“ – Netzwerk organisiert worden. Obwohl die Werbung im Vorfeld hätte deutlich besser sein können und einige Leute tatsächlich Schwierigkeiten hatten, herauszufinden, wo es die Karten im Vorverkauf zu erwerben gab, war die Kirche trotz Zusatzbestuhlung beinahe ausverkauft, sehr zur Freude der beiden Hauptorganisatorinnen Heike Wegener und Silvana Del Rosso. Die kleinen PR-Schwächen erklärten sich in der entwaffnend sympathischen Begrüßungsansprache der beiden, in der sie zugaben, dass dies das erste Konzert sei, das sie jemals organisiert hätten. Geschenkt. Allein dafür, dass sie die Kosten der Veranstaltung auf gut Glück aus eigener Tasche vorgestreckt hatten, gebührt den beiden höchster Respekt.
Auch wenn es in der Online-Ankündigung des Konzerts (und selbst noch in der Ansage der Veranstalterinnen) so gewirkt hatte, als ob die israelisch-arabische Sängerin MIRIAM TOUKAN als Support-Act den Anfang machen sollte, betrat dann doch gleich Yael die Bühne. Mit Akustikgitarre und begleitet von GAL MAESTRO am Kontrabass, eröffnete sie den Abend mit „Roses Of Fire“ von ihrem aktuellen Longplayer „Enosh“. (Hauptaugenmerk an diesem Abend). Miriam stieß erst später für einige Songs zum Ensemble, unter anderem eine mehrsprachige und wunderschöne Version von LEONARD COHENs „Hallelujah“ – wahrlich ein Song, den nicht viele ungestraft covern dürfen.
Zwischen den Songs erzählte Yael die ein oder andere Anekdote und sprach natürlich vor allem auch über ihre Erfahrungen bei den Protestmärschen und über die sich derzeit global formierende Frauenbewegung.
The time has come.
It wants to happen.
It will happen.
It’s happening now.
(Yael Deckelbaum)
Manch einem der anwesenden Männer mag vielleicht ein wenig mulmig geworden sein bei so viel geballter Frauenpower, doch eigentlich durften sich auch die Herren der Schöpfung durchaus herzlich willkommen fühlen. Ja, es waren tatsächlich auch Männer da an diesem Abend, auch wenn sie sich natürlich deutlich in der Minderheit befanden. Aber selbst meine weibliche Begleitung musste über manches kopfschüttelnd schmunzeln, wie etwa die auf der Rückseite der Eintrittskarte abgedruckte Werbung für das „Festival der Weiblichkeit“, das Mitte Juli unter anderem mit so interessanten Veranstaltungen wie „Die Essenz des Weiblichen“ oder auch „Gebärmutterreinigung“ aufwartet.
Derart esoterisch-überkandidelte Auswüchse konnte man(n) aber getrost unter „skurile Nebensächlichkeiten“ verbuchen, denn zu wichtig war und ist die Botschaft, die Yael und ihre Berliner Mitstreiterinnen an die Welt haben: Frieden ist möglich, wenn man ihn will und wenn man miteinander spricht.
Neben dem politischen Inhalt gab es natürlich auch gute Musik. Yael, die viele hierzulande auch als Teil des kongenialen Damentrios HABANOT NECHAMA kennen, ist nicht umsonst eine preisgekrönte Songschreiberin und besitzt eine Bühnenpräsenz, die ihr bei Auftritten eine unwahrscheinliche Strahlkraft verleiht. Gleiches gilt für MIRIAM TOUKAN. Die beiden im Duett zu hören war wirklich ein besonderes Erlebnis. Das musikalische Highlight an diesem Abend war für mich jedoch GAL MAESTRO. Ihr virtuoses und doch so unaufdringliches Bassspiel gehört für mich zum Besten, was ich seit langem auf diesem Instrument gehört habe. Dies bewies sie nicht zuletzt als sie bei einem ihr bis zu diesem Zeitpunkt noch völlig unbekannten Song brillant improvisierte.
Ein großer Applaus gebührt an dieser Stelle auch dem Publikum, das von Anfang an gut mitging . Spätestens als am Ende die gesamte Kirche stand und „Prayer Of The Mothers“ intonierte, war ganz große Gänsehaut angesagt. Ein wirklich berührender Abend.