HEATHER NOVA – Berlin, Columbia-Theater

heather 1Die Idee, ein legendäres altes Album als Motiv für eine Live-Tour zu nutzen ist ja seit einiger Zeit recht beliebt, man denke etwa an die „Back To Front“ („So“) – Konzerte von PETER GABRIEL oder die kürzliche „Joshua Tree“ – Tour von U2. Nun entschied sich auch HEATHER NOVA, mit ihrem Album „Oyster, mit dem sie vor 23 Jahren ihren Durchbruch in Europa feierte, noch einmal live auf Tour zu gehen. Wir waren in Berlin dabei.

heather 2Ja, es gibt gute Alben, die wirklich vom ersten bis zum letzten Song berühren. Unter denen wiederum gibt es dann diese Handvoll an wirklich bemerkenswerten Scheiben, die ein ganzes Leben lang bei einem bleiben. Tatsächlich ist „Oyster“ für mich genau so ein Album und deshalb war ich mehr als nur gespannt, wie die Songs nach mehr als zwei Dekaden im Live-Kontext auf mich wirken würden, da ich die Künstlerin auch beinahe genauso lange schon nicht mehr live gesehen hatte.

Bevor jedoch Heather Allison Frith, wie Frau Nova mit bürgerlichem Namen heißt, die Bühne betrat, gab es noch einen kleinen Supportact. Der  aus Kalifornien stammende und nun im englischen Brighton beheimatete Songwriter ED PROSEK erntete mit seinen netten aber irgendwie auch recht gleich klingenden Balladen jedoch nicht mehr als Höflichkeitsapplaus. Wahrscheinlich hätte er aber selbst mit einem grandiosen Auftritt wenig Chancen auf mehr gehabt, denn die Massen im Columbia-Theater waren natürlich wegen des Hauptacts gekommen.

heather 4À propos Massen… War es schon bei ED PROSEK sehr voll in der Halle wurde es bei HEATHER NOVA wirklich grenzwertig ungemütlich. Wenn man bei einem Konzert bis zur Hallenrückwand wirklich keine Chance hat, sich zur Musik auch nur minimal zu bewegen, geschweige denn die Bar oder die Toiletten zu erreichen, ohne zig anderen Konzertbesuchern dabei auf die Füße zu treten, weil man so dicht gedrängt steht, dass nicht einmal mehr der berühmte Sardinen-Vergleich ausreicht, dann reduziert das den Musikgenuss doch um eine erhebliches Maß. Leider ist es in Berlin immer wieder Usus, Hallen derart zu überfüllen. Gerade bei den beiden Venues am Columbiadamm fällt das immer mal wieder unangenehm auf. Mal abgesehen vom geschmälerten Kulturgenuss ist das ja auch durchaus sicherheitstechnisch bedenklich.

Wirklich schade, denn die Performance war wie zu erwarten hervorragend. Begleitet von Luke Bullen am Schlagzeug, Arnulf Lindner am Bass, Berith Fridahl an der Gitarre und Midori Jaeger am Cello, spielte Heather zunächst wie angekündigt die Stücke des „Oyster“ Albums und zwar auch in der entsprechenden Reihenfolge. Unterbrochen wurde die Reihe nach der Hälfte lediglich durch „Blind“, einen Song der ursprünglich eigentlich für das Album gedacht war, es jedoch dann doch nicht in die finale Auswahl geschafft hatte und lediglich als B-Seite veröffentlicht wurde. Ein wirklich wunderschönes Lied, bei dem man der Künstlerin nur zustimmen konnte, als sie zugab, dass sie im Nachhinein selbst nicht mehr verstehe, warum es damals durchgefallen sei.

Abgesehen davon kommunizierte Heather bis kurz vor Ende eher sparsam mit dem Publikum und ließ stattdessen lieber die Songs wirken. Keine schlechte Entscheidung, denn da bei „Oyster“ wirklich kein einziges Stück abfällt, hatte die Gänsehaut bei dieser Aneinanderreihung von Song-Granaten keinerlei Chance zwischenzeitlich auch nur einen Moment zu verschwinden. Da wäre so etwas wie die NIRVANA – Einlage bei „Verona“ gar nicht nötig gewesen.

heather 5Irgendwie fühlte man sich plötzlich um 20 Jahre zurückversetzt aber gleichzeitigauch immer noch im Hier und Jetzt. Heathers kräftige und klare Stimme hat nach wie vor nichts von ihrer Kraft oder Faszination verloren. Aber auch ihr Erscheinungsbild hat sich, obwohl sie inzwischen stolze 50 ist, kaum verändert, ohne dass einen allerdings das Gefühl beschleichen würde, dass da irgendwie künstlich nachgeholfen wurde. Ob es am gesunden Inselklima ihrer Heimat Bermuda liegt, wohin Heather nach vielen Jahren in Europa vor einiger Zeit wieder zurückgekehrt ist? Mit ihrem Elfen-Charme und ihrem Sirenengesang schafft sie es jedenfalls immer noch, Männer- wie Frauenherzen binnen Momenten zum Schmelzen zu bringen.

Nach dem regulär letzten Song „Doubled Up“ (à propos schmelzen…) gab es mit „Winterblue“ („Siren“), „Sea Glass“ („The Way It Feels“) und „Like Lovers Do“ („South“) zunächst drei Zugaben von anderen Alben, bevor man mit „Sugar“ noch einmal zu „Oyster“ zurückkehrte. Der vor allem live immer wieder eine wahnsinnige Energie verströmende Song war seinerzeit leider nur auf dem US-Release des Albums enthalten. Den endgültigen Abschluss des Bühnenprogramms bildete dann „I Wanna Be Your Light“ vom Album „Storm“.

heather 3

Ganz zu Ende war der Abend damit allerdings noch nicht, denn wer noch nicht genug von der wunderbaren HEATHER NOVA bekommen konnte, hatte am Merch-Stand noch die Chance auf ein Autogramm. Vor 20 Jahren wäre das kaum denkbar gewesen, denn damals war die Künstlerin, was Derartiges anging, extrem scheu. So war diese kurze Begegnung für viele alte Fans noch einmal ein wirklich besonderer Abschluss des Abends.

Fazit: Fantastische Künstlerin, großartige Songs, tolles Konzert aber leider ein wirklich großer Punktabzug für die überfüllte Halle.

 

Setlist:

  1. Walk This World
  2. Heal
  3. Island
  4. Throwing Fire at the Sun
  5. Maybe an Angel
  6. Truth and Bone
  7. Blue Black
  8. Blind
  9. Walking Higher
  10. Light Years
  11. Verona
  12. Doubled Up

Zugaben:

  1. Winterblue
  2. Sea Glass
  3. Like Lovers Do
  4. Sugar
  5. I Wanna Be Your Light
Florian Hessler

Über Florian Hessler

Archäologe, Historiker und freier Journalist (u.a. Zillo Medieval, Sonic Seducer, Miroque, Metal-District, Piranha) floh.hessler(at)schubladenfrei.de
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