In letzter Zeit hat uns der musikalische Weg des öfteren gen Norden geführt. Selten ging es jedoch so weit, wie im Falle der norwegischen Sängerin ELIN KAVEN, die dem Volk der Samen angehört. Die traditionelle Musik der Sámi Nomaden, die nördlich des Polarkreises beheimatet sind, ist ein gutturaler, meist unbegleiteter Gesang, der Joik genannt wird. Besungen wird dabei häufig die Natur oder Ereignisse aus dem Leben des jeweiligen Sängers, ebenso gut kann der Gesang aber aus zusammenhanglosen Silben bestehen. Sogar in der Musik von Bands wie KORPIKLAANI hat der Joik Spuren hinterlassen, bekannter für den Stil sind jedoch samische Künstlerinnen wie MARI BOINE oder SOFIA JANNOK, deren Musik jedoch weniger elektronische Elemente beinhaltet als es bei ELIN KAVEN der Fall ist.
ELIN KAVEN veröffentlichte ihre erste EP im Jahr 2005, vier Jahre später folgte das Debütalbum „Jikŋon musihkka“. Nun erscheint ihr zweites, ausgesprochen ambientiges Album mit dem Titel „Maizan – Thaw“. Darauf bereitet die Sängerin die bis heute im Alltagsleben der Menschen verankerte Schamanismustradition auf und macht sie für Leute außerhalb ihrer Heimatregion zugänglich. Ihre Lieder haben etwas hypnotisches, sie sind nicht übermäßig kompliziert, aber jeder Ton ist wohlgesetzt. Neben Naturverbundenheit steht vor allem die Liebe im Zentrum der Lieder. Glücklicherweise muss man nicht einmal Samisprachen sprechen, um den Sinn zu verstehen, da das Booklet mit Übersetzungen der Texte ausgestattet ist.
„Maizan – Thaw“ ist eine eingängige Mischung aus nordischem Folk, Pop und Jazz. Besonders im Ohr bleibt der mit tänzerischer Leichtigkeit dargebotene Opener “Uldá niktá“ – passend dazu nehmen Bewegung und Tanz auch bei den Liveauftritten von ELIN KAVEN tragende Rollen ein. Die Klänge des Synthesizer integrieren sich außergewöhnlich gut in den organischen Klang des Albums, der immer wieder Natur-Assoziationen hervorruft. Da streift der Wind durch knorrige Äste und Wassertropfen fallen auf die Erde, im Hintergrund sind Schellenkranz und fein klimpernde Glöckchen zu hören. Während das mystisch klingende „Gatnjalat váimmus“ traditionell und bedächtig daherkommt zählen das mit stampfendem Beat unterlegte „Váimmu čuovga“ oder das temporeiche „Ija árdna“ zu den moderneren Stücken. Das über neun Minuten lange „Čábbáseamos báiki“ besingt nicht nur einen wunderschönen Ort, sondern ist in erster Linie wunderschöne Musik.
Fazit: Ein spannendes Folkalbum mit deutlich mehr Tiefgang, als es der erste Hördurchgang vermuten lässt. Reinhören!
Anspieltipps:
Uldá Niktá
Lihkku niehku
Tracklist
01. Uldá niktá
02. Lihkku niehku
03. Váimmu čuovga
04. Gatnjalat váimmus
05. Jus mieđihat
06. Ija árdna
07. Njielasáttu
08. Čuovo čuovgga
09. Čábbáseamos báiki