Bereits kurz nach dem Release ihres dritten Albums „Who Disturbs The Water“ im Herbst letzten Jahres überrascht die lettische Sängerin VIC ANSELMO schon mit ihrer nächsten Veröffentlichung. Der Titel der nur als Download erhältlichen EP ist allerdings ein wenig irreführend: bei den „Neuigkeiten aus dem Hinterhof“ handelt es sich nämlich ausschließlich um alte Songs. Wir verraten, warum sich der Kauf dennoch lohnt.
Die ersten drei Songs von „Backyard Novelties“sind alle aus Vics eigener Feder. Während sich „Horizon“ und „Open Wide“ bereits auf ihrem 2008 erschienen Debüt „Trapped In A Dream“ finden, stammt „Beverly“ vom 2011 Nachfolgealbum „In My Fragile“. Im Gegensatz zu den ursprünglichen Versionen, die alle mit Band eingespielt wurden handelt es sich bei den Neuaufnahmen um reine Akustik-Version, die gänzlich auf das Wesentliche – nämlich Vics Klavierspiel und vor allem ihre Stimme – reduziert sind. Das verleiht den Stücken eine gewisse Verletzlichkeit und Intimität, die ihnen sehr gut zu Gesicht steht. Wer VIC ANSELMO schon auf der Bühne gesehen hat weiß, dass es auch live vor allem die Soloperformances sind, bei der ihre Musik ihre Energie und ihren besonderen Zauber entfaltet.
Vergleiche sind ja immer so ein wenig schwierig und manchmal nicht ganz glücklich. Dennoch könnte man hier Namen wie TORI AMOS oder sogar KATE BUSH anführen. Scheuen muss VIC ANSELMO diese Vergleiche in keinem Fall, denn ihre Lieder und ihre Stimme haben nicht nur eine ähnliche Qualität, sondern auch genügend Eigenständigkeit. So ist es fast nur folgerichtig, dass es sich beim vierten und letzten Stück der EP um ein KATE BUSH Cover handelt. „Mother Stands For Comfort“ erschien 1985 erstmals auf deren Album „Hounds Of Love“. Damit gehört VIC ANSELMO nicht nur zu den wenigen Sängerinnen, die es wagen KATE BUSH zu covern, sie gehört tatsächlich auch zu dem kleinen, höchst exklusiven Club derer, die es auch wirklich können. Ja, im hier vorliegenden Fall möchte ich beinahe so weit gehen, zu sagen, dass mir der Song in Vics Version sogar noch ein bisschen besser gefällt. Obwohl sie sich, sowohl mit dem eintönig verschleppenden Drumbeat und den leise untermalenden Synthi-Streicher-Flächen sehr nahe ans Original hält, klingt das Stück in meinen Ohren, durch die klarere Akzentuierung und Herausstellung des Klavierparts ein wenig frischer und gleichsam „entstaubter“(was übrigens auch am hervorragenden Mix liegt). Zudem schafft es Vic dem Song durch ihre Vocals für mein Empfinden ein wenig mehr emotionale Tiefe zu verleihen, als das doch recht unterkühlte wirkende Original versprüht. Nun könnte man dagegenhalten, dass diese Unterkühltheit vielleicht ja von der Künstlerin ursprünglich so gewollt war und ich werde natürlich einen Teufel tun und hier eine der größten Gesangsikonen der Popgeschichte kritisieren. Am Ende sind es Nuancen und es bleibt eine Geschmacksfrage. Auf Augenhöhe mit KATE BUSH bewegt sich VIC ANSELMO aber allemal – allein das ist ja aber schon ein Kompliment, das schwer zu übertreffen ist.
Fazit: Auch wenn man die Songs auf „Backyard Novelties“ allesamt schon kennt, sind die fünf Euro, die man für den digitalen Erwerb der EP aufwenden muss auf keinen Fall verschwendet. Ganz im Gegenteil: man bekommt dafür eine knappe Viertelstunde wundervoller, handgemachter Musik, die man wieder und wieder anhören möchte. Puristisch. Berührend. Bezaubernd.
Tracklist:
- Horizon
- Beverly
- Open Wide
- Mother Stands For Comfort
VÖ: 26.04.2016
Credits:
Vic Anselmo – vocals and piano
Gijs Coolen – keyboards and samples
Rob Snijders – drums on „Mother Stands For Comfort“
Produced, engineered and mixed by Gijs Coolen
Mastered by Jacques de Haard
Recorded in 2016 at The Aguarium
Cover design by Pascal „Daghostprod“ Cataye
Photography by Alexander Trinitatov
(P) & (C) 2016 Agua Recordings / Vic Anselmo