OLGA BELL – Tempo (CD-Review)

olga-bell-tempo-album-artworkDie gebürtige Moskauerin Olga Balashova aka OLGA BELL galt schon früh als musikalisches Wunderkind. Nachdem sie mit ihrer Mutter im Alter von sieben Jahren in die USA emigrierte, begann sie mit dem Klavierunterricht und bereits mit 12 spielte sie mit dem Symphonieorchester ihrer neuen Heimatstadt Anchorage. Mit 16 war sie dort bereits Solistin. Nach Abschluss ihres Studiums zog es sie nach New York, wo sie sich der elektronischen Musik zuwandte. Seither arbeitet sie als Sängerin, Songschreiberin, Komponistin, Produzentin und Video-Regisseurin und spielt in mehreren Bands (u.a. CHAIRLIFT, DIRTY PROJECTORS). Vor wenigen Tagen erschien ihr zweites Soloalbum „Tempo“.


Im Gegensatz zum Vorgänger „Krai“ (Край), auf dem sie sich mit ihrer russischen Herkunft auseinandersetzte, und dessen Texte in russisch gesungen wurden, wendet sich OLGA BELL auf der neuen Scheibe wieder mehr ihrem derzeitigen Lebensmittelpunkt Amerika zu, angefangen bei den englischen Texten bis hin zum Abschluss-Track, der ihre Wahlheimat im Titel trägt. Der Folk-Einfluss, der auf „Krai“ deutlich spürbar war, wurde auf „Tempo“ nun gegen Trip-Hop und House eingetauscht. Was allerdings geblieben ist, ist die Lust am Experiment. Manche der Songs wirken anfangs ein wenig sperrig und erschließen sich nicht gleich beim ersten Hören.

Das Album ist zuerst für den Körper, dann erst für den Geist“, meint die Künstlerin dazu. Was sie damit sagen will ist, dass diesmal das Tempo – der Albumtitel kommt nicht von ungefähr – und der Beat für sie beim Songwriting klar im Vordergrund standen: „Ich habe bei jedem Song damit angefangen, genau über das Tempo nachzudenken, in dem ich alleine dem Metronom zugehört habe und versucht habe, seine Verbindung zu meinem Körper zu erfühlen, aber auch zur Geschwindigkeit des Tages, zum Wetter oder zum Licht“, erklärt sie. Diese verschiedenen Einflüsse und Verbindungen manifestieren sich auf dem Album dann auch in unterschiedlichsten Rhythmen und Tempi – von den tief vibrierenden Bass-Beats bei „Doppio“ über das düster-treibende „Ritual“ bis hin zu hochgradig tanzbaren Upbeat-Stücken wie „Randomness“.

Die ursprüngliche Inspiration zu „Tempo“ kam, so Olga, übrigens durch den mehrfach preisgekrönten 1990iger Dokumentarfilm „Paris is burning“, der die New Yorker (Drag-)Ball-Szene der späten 80er porträtiert. Ähnlich wie der Film bietet auch das Album eine bunte Collage – in diesem Fall natürlich musikalisch – aus elektronischen Klängen und Stilen, mal vorwärts treibend, mal elegant zurückgenommen und immer getragen von Olgas markant-schöner Stimme. Ein wunderbares, komplexes Klanggemälde über dem Rhythmus des Lebens.

Fazit: Geheimtipp! Ein Album, bei dem es sich durchaus lohnt, es ein zweites (und drittes) Mal zu hören.

VÖ: 27.05.2016

One Little Indian / Rough Trade

Tracklist

01. Power User
02. Doppio
03. Randomness
04. ATA
05. Regular
06. Zone
07. Ritual (ft. Sara Lucas)
08. Your Life is a Lie
09. Stomach It
10. America

Florian Hessler

Über Florian Hessler

Archäologe, Historiker und freier Journalist (u.a. Zillo Medieval, Sonic Seducer, Miroque, Metal-District, Piranha) floh.hessler(at)schubladenfrei.de
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