Von 1994 bis 2007 hat ANNEKE VAN GIERSBERGEN mit der Prog-Rock-Band THE GATHERING die großen Hallen und Festivalbühnen in Europa bespielt. Nach ihrem Ausstieg trat sie mit verschiedenen eigenen und als Gast bei zahlreichen fremden Projekten in Erscheinung. Vor kurzem konnte man die niederländische Sängerin bei einem kleinen, intimen Akustikkonzert in Berlin erleben.
„Klein“ ist in diesem Fall noch fast untertrieben, denn in die TheArter Gallery passen gerade mal etwa 100 Leute. Keine Frage, dass der Laden restlos ausverkauft und damit rappelvoll war, zumal an diesem Abend nicht eine, sondern gleich zwei großartige Künstlerinnen auf der Bühne standen. Als Support hatte Anneke nämlich die in Lettland geborene und inzwischen in Deutschland lebende Sängerin und Songwriterin VIC ANSELMO im Gepäck. Die Wahlbochumerin ist in der kleinen Lichtenberger Galerie keine Unbekannte mehr, hat sie hier doch schon mehrere Auftritte absolviert und sich damit ein treues Publikum erspielt. Bei den TheArter-Mitarbeitern hat ihr ihre positive und quirlige Art inzwischen sogar den Spitznamen „Galerie-Flummi“ eingebracht, wie man der scherzhaften Ansage des Clubbesitzers entnehmen konnte.
Während Vic auf ihren Alben stets verstärkt durch eine Band und bei den ersten beiden auch durchaus eine Nummer härter zur Sache ging, sind es gerade ihre Solokonzerte, bei denen sie ihre Songs nur mit einem E-Piano begleitet, die von vielen Fans am höchsten geschätzt werden. So verzauberte die sympathische Lettin die Anwesenden auch diesmal fast vom ersten Ton an und erntete nach jedem Lied frenetischen Applaus. Der besondere Charme und die urprüngliche Intensität ihrer Akustikdarbietungen entfalten sich natürlich am besten live, doch für alle, die einen Eindruck davon gewinnen wollen, hat VIC ANSELMO unter dem Titel „Backyard Novelties“ vor wenigen Wochen eine Digitale-EP veröffentlicht, auf der sie drei ihrer Klassiker zusammen mit einem großartigen KATE BUSH Cover in eben diesem reduzierten Gewand präsentiert.
Zu kämpfen hatte Vic an diesem Abend allerdings mit der langsam immer mehr steigenden Temperatur in der kleinen Galerie. Zwar war der Raum komplett eingestuhlt, was an sich wenig Bewegung zur Musik zuließ, doch sorgte die schiere Menge der Anwesenden zusammen mit der niedrigen Deckenhöhe für beinahe tropische Verhältnisse. Etwa nach der Hälfte ihres Auftritts ließ sich die Künstlerin ein Handtuch reichen, mit dem sie mehrfach die Tasten ihres Keyboards abwischte, um beim Spielen nicht „kleben zu bleiben“, wie sie sie es lachend ausdrückte.
Kaum verwunderlich, dass auch ANNEKE VAN GIERSBERGEN, die nach einer kleinen Pause von vielen sehnlichst erwartet die kleine, von Kerzenleuchtern stimmungsvoll erhellte Bühne betrat, mit der Luftfeuchtigkeit so ihre Probleme hatte. Eine Akustikgitarre ist da eben noch um einiges empfindlicher als ein elektrisches Klavier und reagiert auf derartige Verhältnisse schnell mit Verstimmung. So waren regelmäßige Stimmpausen von Beginn an gezwungenermaßen Teil des Programms, die von der Künstlerin aber mit viel Charme und Humor überspielt wurden.
Überhaupt zeigte sich die Niederländerin hervorragend aufgelegt und nutzte die heimelige Atmosphäre, um zwischen den Musikstücken ausgiebig mit dem Publikum zu kommunizieren und die ein oder andere Anekdote zu so manchem Song zu erzählen, wie zum Beispiel zu dem sehr persönlichen „My Mother Said“. Auch die besondere Stimmung dieses Beinahe-Wohnzimmerkonzerts übertrug sich sehr schnell auf die Akteurin auf der Bühne. „Wow, ihr seid alle so aufmerksam und konzentriert, das ist wirklich selten. Dass ist gut, da muss ich mich auch mehr konzentrieren“, lachte sie und bescheinigte den Anwesenden beim Bruce Springsteen Klassiker „I’m On Fire“ den besten Publikumsgesang, den sie jemals auf einem Konzert gehört hätte: „Das war sehr leise, sehr schön und vor allem sehr richtig gesungen.“ Coverversionen ihrer Lieblingssongs machten an diesem Abend übrigens etwa ein Drittel des Programms aus, angefangen bei U2 über QUEEN, Mr. MISTER oder die KINGS OF LEON und FLEETWOOD MAC bis zum bereits erwähnten „Boss“. Ebenfalls in der Setlist fand sich der DEVIN TOWNSEND Song „Ih-Ah!“, den Anneke bereits auf dessen 2009er Album „Addicted“ gesungen hatte. Und natürlich gab es auch einige alten GATHERING-Perlen wie „My Electricity“, „Saturnine“ oder „Broken Glass“ zu hören.
Das Publikum dankte mit Standing Ovations und einem Applaus-Lautstärke, die den kleinen Raum gehörig zum Beben brachte. Keine Frage, dass da noch Zugaben fällig waren. PINK FLOYDs „Wish You Were Here“ setzte schließlich den stimmungsvollen musikalischen Schlusspunkt unter diesen ganz besonderen Abend. Zu Ende war er damit allerdings noch immer nicht ganz, denn die beiden Ladies nahmen sich im Anschluss die Zeit, um am Merch noch lange und ausgiebig mit den Fans zu plaudern und alle Autogramm- und Fotowünsche zu befriedigen. Die Chance solche Ausnahmekünstlerinnen derart hautnah zu erleben hat man selten. Schade für alle, die nicht dabei sein konnten.
Wir hatten die Gelegenheit vor dem Konzert ein kurzes Interview mit ANNEKE VAN GIERSBERGEN zu führen. Zu lesen in Bälde an dieser Stelle.