EUZEN – Behind the Scenes beim Videodreh zu „Judged By“

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Die dänische Art-Goth-Pop Band EUZEN, die sich in Deutschland bei zahlreichen Festivals (u.a. Wave-Gotik-Treffen, M’era Luna, Fusion, TFF-Rudolstadt) inzwischen eine große Fangemeinde erspielt hat, ist bekannt für ihre künstlerisch hochwertigen Videos. Für das Video zur Single „Judged By“ vom zweiten Album „Sequel“ wurden große Teile in Deutschland gedreht, genauer in der Nähe von Berlin. Regie führte der international renommierte Musikfotograf Morten Rygaard. Wir hatten das große Vergnügen beim Dreh dabei zu sein und einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

Der erste Drehtag: Zuviel Single Malt und eine frierende Fee

EUZEN Videodreh Heilstätten Grabowsee 025Nach einer kurzen aber heftigen Diskussion mit meinem Wecker und etwa einer Stunde Fahrt erreichen wir halbwegs pünktlich die Drehlocation am Grabowsee bei Oranienburg im Norden Berlins. Auf dem Gelände der ehemaligen Lungenheilstätten herrscht noch Totenstille, alles ist dunkel. Doch kaum ausgestiegen, begrüßt uns Hundegebell und der Verwalter des Geländes kommt uns gut gelaunt entgegen. Anscheinend sind wir tatsächlich die ersten vom Team. – Na gut, erst mal ausladen, Basislager aufbauen und die Kaffeemaschine anwerfen. Nach einer weiteren halben Stunde ein Anruf auf dem Handy: „We’re lost!“ Nun ja, damit hätte man eigentlich rechnen müssen, liegen die verlassenen Ruinen doch märchenhaft versteckt inmitten eines großen Kiefernwaldes. Nach einigen telefonischen Richtungsanweisungen und einer flugs gestarteten Lotsen-Expedition sind schließlich alle mehr oder weniger frisch versammelt und es kann losgehen. Nur Harald und Christopher machen einen etwas zerknitterten Eindruck, da war wohl ein wenig zuviel Single Malt am Vorabend im Spiel – nur gut, dass ich rechtzeitig die Kurve gekriegt habe…

Im Gegensatz zu den beiden übernächtigten Helden sprüht Regisseur Morten vor Energie: „Die Location ist genial, ich könnte hier einen ganzen Monat verbringen!“ Leider aber sind für den Dreh nur zwei Tage veranschlagt, und so ist Eile geboten, keine Zeit den Whiskykater auszukurieren. Als sich der Rest anschickt, die ersten Szenen vorzubereiten, bin ich schon wieder unterwegs zum Bahnhof, um einen Gaststar abzuholen. Die Berliner Kontaktjonglagefee Beatrice Baumann, manchen besser bekannt unter ihrem Künstlernamen BEATRITSCHE, die bereits beim Location-Scouting im Herbst mit von der Partie war, freut sich zwar schon auf ihren Auftritt, aber seufzt „Oh mann, wieso müssen wir das eigentlich im Winter drehen?“

Nach einer kurzen BeEUZEN Videodreh Heilstätten Grabowsee 093sprechung verteilt sich das Team in kleinen Gruppen über das riesige Gelände, um die einzelnen Szenen abzufilmen. Während die arme Beatrice in einem Hauch von Nichts auf einem der zugigen Dachböden des Hauptgebäudes jongliert, spielt Harald ein ums andere Mal sein Gitarrensolo in der malerisch am Seeufer gelegenen Ruine der ehemaligen Krankenhauskapelle. Als die einzelnen Drehteams wieder im Basislager eintreffen, ist Beatrice nahezu ein Eisblock und umarmt förmlich den Gasheizer, der unsere einzige Wärmequelle darstellt. Während sie so langsam auftaut, stellt sie bibbernd fest: „Das… war… mal… verdammt… kalt!“ Gottseidank helfen auch Decken, heiße Suppe und Tee, die nasskalten Dezembertemperaturen wieder einigermaßen auszugleichen.

EUZEN Videodreh Heilstätten Grabowsee 182 Inzwischen ist auch EUZEN-Bassist Jon zu uns gestoßen und bereitet sich auf seine Szene vor. Während diese dann gefilmt wird, frage ich mich, wo wohl Harald und Christopher stecken? Aha, die liegen im Auto und ruhen sich aus… da fordert wohl der Rock’n’Roll vom Vorabend seinen Tribut. Als Haralds zweite Einstelllung an diesem Tag an der Reihe ist, steht er jedoch wieder ganz professionell vor der Kamera – einen echten Wikinger wirft ja so schnell nichts um! Oder vielleicht doch? Denn eigentlich steht er für die Szene nicht, sondern liegt vielmehr auf einem alten verrosteten Krankenhausbett, was natürlich zu allerlei Scherzen und Spötteleien von Seiten des übrigen Teams führt. Doch mit nordisch-stoischer Ruhe lässt es der Senior der Band über sich ergehen, bis Morten schließlich das erlösende „It’s a wrap for today!“ in die Runde ruft. – Ein anstrengender aber spaßiger erster Drehtag geht zuende.

Der zweite Drehtag: Insekten in Schlagsahne

EUZEN Videodreh Heilstätten Grabowsee 247Auch am zweiten Tag schaffen wir es wieder vor der Band anwesend zu sein, diesmal jedoch handelt es sich lediglich um wenige Minuten, bis sich dann tatsächlich alle halbwegs pünktlich und deutlich ausgeschlafener zum zweiten Drehtag einfinden. Am Abend zuvor war auch Drummer Kristian als letztes fehlendes Bandmitglied eingetroffen, der sich auch sogleich daran macht, das Schlagzeug für seine Szene aufzubauen. Kaffee, Besprechung, los gehts! Nach Kristian gehört die Hauptaufmerksamkeit an diesem Tag Sängerin Maria – den ganzen Nachmittag rennt, tanzt und turnt das Energiebündel durch die endlosen Gänge und Treppenhäuser des verlassenen Gebäudekomplexes und friert dabei kaum weniger als Beatrice am Vortag. Leider bekomme ich davon nicht sehr viel mit, denn ich begebe mich zusammen mit Harald auf eine wichtige Mission für die Abschlusszene.

Rückblende: Etwa zwei Wochen vor dem Drehtermin klingelt mein Handy und eine aufgeregte Maria erzählt mir freudig von einer tollen neuen Szene, die der Band kurzfristig eingefallen ist: „Du weißt ja, wir stehen auf freakiges Zeug, also dachten wir, dass wir gerne eine edle Kaffeegesellschaft filmen würden, bei der die Band in Abendkleidung um einen großen Tisch sitzt, mit Kerzen und so, und dann kommst Du als Butler und servierst uns diesen Kuchen, aus dem beim Anschneiden dann eine Menge von lebenden Insekten und Würmern kriechen!“ Ahhh ja… da komme ich also auch noch zu einer Gastrolle?

EUZEN Videodreh Heilstätten Grabowsee 311Also losfahren, Tisch, Stühle, ein weißes Hemd für Harald und die Krabbeltiere besorgen. Gottseidank erlaubt uns der Berliner Stadtverkehr halbwegs innerhalb des Drehplans zurück zu sein. Die anderen Szenen sind bereits abgedreht, alle machen sich jetzt daran, das letzte Set aufzubauen und einzuleuchten. Dabei lösen einige der von uns mitgebrachten, mehrbeinigen Co-Stars speziell bei einem der männlichen Bandmitglieder starke Phobieanfälle aus, so dass wir schließlich leider auf die Kakerlaken verzichten müssen, um einen reibungslosen Dreh zu gewährleisten. Schade, dabei hatten Harald und ich so viel Spaß, als uns der Zoohandlungsbesitzer in Oranienburg demonstrierte, dass die großen Schaben so eine Art „Pffffffft“-Geräusch von sich geben, wenn man vorsichtig drauf drückt. Aber auch Marias Gesicht zeigt nicht mehr viel von der ursprünglichen Begeisterung des Telefongesprächs, als sie nach dem Brötchen mit den Mehlwürmern greift. Ja, so ist das eben mit verrückten Ideen – ich kann mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Völlig anders dagegen Morten, immer enthusiastischer kommen seine Regieanweisungen: „Ja, gut so! Und jetzt brauchen wir alle Insekten auf dem Tisch. Ja, alle raus aus dem Kuchen, gut so! Und jetzt noch ein Closeup von dem Grashüpfer auf dem Kuchenstück…!“

EUZEN Videodreh Heilstätten Grabowsee 319Endlich ist das große Krabbeln im Kasten, doch damit ist es noch nicht ganz zu Ende. Für die abschließende Einstellung müssen noch einmal alle Insekten entfernt und der Tisch wieder aufgehübscht werden. Schließlich und endlich verteilt Maria mit sichtlicher Freude Kuchen, Geschirr und Gläser durch einen heftigen Ruck am Tischtuch quer durch den Raum. Nach dem heftigen Scheppern und Klirren herrscht zunächst sekundenlang völlige Stille, bevor alle auf einmal in befreites Gelächter und Applaus ausbrechen. – Geschafft!!!

EUZEN Videodreh Heilstätten Grabowsee 334Ganz schön schlauchend, so ein Dreh… und natürlich ist er erst dann wirklich zuende, wenn alles wieder eingepackt und verstaut ist. So war dann auch das Abschlussbier in einem Berliner Studentenclub am sehr späten Abend ein eher kurzes Vergnügen. Für die Band ging es bereits am nächsten Morgen wieder zurück nach Dänemark, wo nicht nur noch weitere Szenen gedreht, sondern das Material natürlich auch noch geschnitten werden musste. Leider haben es nicht alle der Szenen aus Oranienburg ins fertige Video geschafft. Darüber, ob das Endergebnis die Mühen wert war, kann man sich hier ein Urteil bilden.

Florian Hessler

Über Florian Hessler

Archäologe, Historiker und freier Journalist (u.a. Zillo Medieval, Sonic Seducer, Miroque, Metal-District, Piranha) floh.hessler(at)schubladenfrei.de
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