Nach ihrer triumphalen Reunion beim WGT vor zwei Jahren hatten MILA MAR bereits im April 2015 einige Clubkonzerte angekündigt, die dann leider aus Krankheitsgründen ausfallen mussten. Nun wurden die Termine endlich nachgeholt. Wir waren im Leipziger Naumanns dabei.
Bei der Ankunft in besagtem Club machte sich allerdings zunächst Skepsis breit. Eine doch recht kleine Bühne und Probleme bei den Videoprojektionen, die leider irgendwie gar nicht laufen wollten, sorgten erst einmal für gedämpfte Stimmung. Die besserte sich allerdings schnell, als die Schlange vor dem Eingang immer länger und länger wurde. „Wir wussten vor den Konzerten überhaupt nicht, wie das werden wird oder ob überhaupt Leute kommen“, hatte Geigerin Katrin noch vor dem Konzert erzählt. Wie schon in München und Frankfurt an den beiden Abenden zuvor war auch in Leipzig zumindest diese Sorge unbegründet. Und auch alle anderen lösten sich recht schnell in Rauch auf, beziehungsweise hier wohl eher im Bühnennebel.
Vor MILA MAR gab es allerdings erst noch die Leipziger Band FRAMHEIM zu hören und zu sehen. Die Lokalmatadoren lieferten einen soliden Anheizer-Auftritt, und der Electronic-Darkwave-Sound des Quartetts wusste durchaus zu gefallen und erntete auch einigen Applaus. Leider war die eigentlich gute Stimme von Sängerin Dorain manchmal etwas zu leise abgemischt und ein wenig mehr Hall hätte der Gesang stellenweise auch vertragen können. Aber sei es drum, bei aller Sympathie für und Respekt vor dem Support, gekommen waren die Leute an diesem Abend mehrheitlich nicht für FRAMHEIM, sondern für das, was folgen sollte.
Nach einer, der kleinen Bühne geschuldeten, etwas längeren Umbaupause war es dann endlich soweit und Maaf, Lars, Katrin und Anke traten ins Rampenlicht. Wobei, das gilt bei MILA MAR eigentlich fast immer hauptsächlich für Anke, denn der Rest der Band ist entweder durch die Instrumente im Hintergrund gebunden oder versteckt sich dort gerne. Die Hauptaufmerksamkeit gebührte in jedem Fall auch an diesem Abend Frau Hachfeld. Die, ganz die alte Diva, meldete sich auch erst einmal beim Publikum an: „Könnt Ihr mir einen Gefallen tun und die Tür am Saalende schließen? Und könnt Ihr mir bitte noch einen Gefallen tun und Euer Bier nicht auf meine Bühne stellen?“ Der erklärende Nachsatz kam jedoch sogleich: „Sorry, aber ich will mich bewegen und ich bin barfuß. So, und jetzt werden wir jede Menge Spaß haben.“ Wie sehr diese Feststellung den Nagel auf den Kopf treffen sollte, ahnte Anke zu diesem Zeitpunkt wohl selbst noch nicht.
Kunststück. Was die Dame mit ihrem Vier-Oktaven-Organ, das über die Jahre in keiner Weise gelitten hat, mit ihren Zuhörern anstellt, lässt sich eigentlich kaum sachlich nüchtern beschreiben. Dabei ist es auch egal, dass sie die meiste Zeit in einer kompletten Fantasiesprache singt. Sprache und Kopf sind in diesem Moment vollkommen überflüssig – die Stimme geht ohne Umwege direkt in den Bauch und breitet sich dort wohlig warm aus, wie ein Schluck guter Single Malt. Dabei verursacht sie ganz nebenbei Gänsehaut von den Haarwurzeln bis hinunter in die Zehenspitzen und spielt auf dem Weg dahin noch munter auf dem Rückenmark Klavier.
Dieser persönliche Eindruck mag jetzt ein wenig subjektiv erscheinen und es mag unjournalistisch sein, hier gar von Glückshormonausschüttungen zu sprechen. Das Ganze relativiert sich jedoch, wenn während des Konzerts alle Umstehenden deutlich ähnliche Emotionen bekunden. Gleich vom Opener „Follow Me“ an stand das Publikum im proppenvollen Naumanns wie in einem Bann und feierte jeden einzelnen Song mit Beifallsstürmen, wie man sie bei vielen anderen Konzerten höchstens bei den Zugabenforderungen erlebt. Und nicht nur nach, auch während der Songs gab es spontane Beifallsbekundungen und Glücksäußerungen, wie ich sie so bislang eher selten auf Konzerten erlebt habe.Um so bemerkenswerter das Ganze, als das Set zur Hälfte aus neuem Material bestand. Neben dem kürzlich im Video-Format veröffentlichten „Asche“ fügten sich auch die weiteren neuen Songs, wie „Fliedermoos“, „Sand“ oder „Head“ wunderbar in eine Reihe mit Klassikern wie „Elfentanz“ oder „Djanga“. Einer der Titel war sogar so frisch, dass er momentan noch immer den schlichten Namen „Anke/Maaf neu“ trägt.
Ein gutes Konzert ist immer ein Geben und Nehmen. So riss Anke ihr Publikum an diesem Abend nicht nur immer wieder zu Begeisterungsstürmen hin, sie selbst schien es auch sichtlich zu genießen in dem gezeigten Applaus zu baden. Mit gehauchten Kommentaren wie „Das ist… lecker!“ und Ausflügen von der Bühne in den Saal wickelte sie die Zuschauer dann natürlich noch einmal mehr um den Finger.
Nach einem wahrlich magisch scheinenden Abend verabschiedeten sich MILA MAR schließlich mit „Was bleibt“ vom Leipziger Publikum. Keine Frage aber, dass die Vier damit noch nicht von der Bühne entlassen waren. Klar gab es noch Zugaben, und die hatten es dann auch noch einmal wirklich in sich. Wo andere Bands in diesem Fall auf sichere Joker aus der „Greatest Hits“-Schublade zurückgreifen, wagten sich die Göttinger stattdessen zunächst an eine Improvisation, um dann mit dem neuen Stück „Hasso“ abzuschließen. Ganz großes Kino!
Was soll man denn über so einen außergewöhnlichen Abend jetzt noch abschließend schreiben? Am Besten ist wohl man bleibt ehrlich und wünscht sich einfach nur…
…mehr davon!
Ein lieber Dank gebührt dem Kollegen Michi Przegendza von UnArt TV für die Bilder!