Mit dem Film „Mara und der Feuerbringer“, der gerade auf DVD und Blueray erschienen ist, hat Regisseur und Autor Tommy Krappweis den ersten Teil seiner Roman-Trilogie um die 14-jährige Mara, die plötzlich erfährt, dass sie die letzte Nachfahrin einer germanischen Seherin ist und eben mal kurz die Welt retten muss, auf die Leinwand gebracht. Leider war der Film, trotz Bestbesetzung (unter anderem Esther Schweins, Christoph Maria Herbst, Jan Josef Liefers, Eva Habermann) und sehr guter Kritiken, sehr schnell wieder aus den Kinos verschwunden. Seither promotet Tommy den Streifen auf zahlreichen Fantasy- und Mittelalter-Genreveranstaltungen. Auch auf dem Festival Mediaval in Selb wurde der Film drei Tage lang in mehreren Vorstellungen gezeigt – mit großem Erfolg. Wir sprachen mit Tommy und Hauptdarstellerin Lilian Prent über den Film, die Chancen einer Fortsetzung und zukünftige Projekte. Hierbei verriet Tommy auch schon ein klein wenig über die kommende, zweite Mara-Buchtrilogie.
Wie bist Du eigentlich drauf gekommen ein Kinderbuch über germanische Mythologie zu schreiben?
Tommy: Also zunächst mal ist es genauso viel oder so wenig ein Kinderbuch wie zum Beispiel Jim Knopf. Es ist ein Buch, das man wenn man jünger ist lesen kann und wenn man es später nochmal liest, kann man immer wieder noch neue Sachen entdecken. Das ist mir wichtig. Weil so ist das ja auch bei „Bernd das Brot“ und allen anderen Sachen die ich mache – ich möchte gerne, dass das mitwächst. Eigentlich war es aber so, dass ich eine Mystery-Serie schrieben sollte, für Pro7. Aber es wurde dann durch diesen, ich will jetzt nicht sagen „Bildungsanspruch“, sagen wir besser : diesen wissenschaftlichen Aspekt, den das Ganze dann noch nebenbei hat – ohne dass es wirklich stört –, und dazu ein junges Mädchen als Hauptfigur und so weiter… Jedenfalls wurde es so ungewöhnlich, dass ich mir gedacht habe, das wird Pro7 wohl in dieser Form so nicht wollen als Mystery-Serie. Das war während der Zeit, in der gerade „Supernatural“ [Serie] sehr erfolgreich war, und ich glaube die hätten wahrscheinlich eher so etwas haben wollen. Aber das gibt’s ja schon. Das war dann langweilig für mich. [grinst] Ja, und da habe ich mir eben gedacht, gut, dann halt nicht und habe stattdessen ein Buch draus gemacht. Und aus dem Buch entsprechend dann den Film.
Warum ausgerechnet germanische Mythologie? Das war ja lange Zeit ein Thema, an das sich keiner so richtig ran gewagt hat, weil es…
Tommy: …durch die Nazis korrumpiert ist. Nennt man das korrumpiert?
Lilian: Negativ konnotiert.
Tommy: Vielen herzlichen Dank. Das war mit auch ein Grund, weil ich das spannend fand. Warum ist denn da dieses… dieses Erbe, wenn man jetzt mal hochtrabend sein möchte, das mehr oder weniger brach liegt und bei dem man Schwierigkeiten hat, sich damit zu beschäftigen, ohne dass man schief angeschaut wird. Sogar Wissenschaftler hatten bis in die 70er Jahre mitunter massive Probleme, sich damit zu beschäftigen. Dabei hat das so viel mit uns zu tun. Durch die Wochentagsnamen, aber nicht nur, auch durch viele Gebräuche, die noch da sind, und vieles, vieles Andere. Ich fand das wirklich unheimlich spannend und auch, dass das viel mehr mit uns zu tun hat als die griechische und vor allem die römische Mythologie. Das resoniert einfach in einem. Jeder kennt Siegfried den Drachentöter, aber kaum einer weiß etwas darüber. Aber kennen tut es jeder. Wie ein kollektiver Erinnerungsschatz. Und da wollte ich hin.
Lilian: Wir hatten das im Deutschunterricht auch leider nur ganz wenig.
Wir auch nicht wirklich.
Tommy: Ich hatte es gar nicht.
Lilian: Ich habe das dann selbst gelesen.
Es ist ja heute noch in der Archäologie und Geschichtswissenschaft an der Uni problematisch, da manche Sachen anzusprechen…
Tommy: Genau. Schau, Du hast ja auch einen Thorshammer um. Wie viele Leute sagen da gleich, Du bist ein Nazi. Und das ist einfach falsch, weil Thor war vorher da.
Kommen wir zum Film. Wie wir alle wissen, ist das ja leider ein bisschen schief gegangen, was die Zuschauerzahlen und damit auch die Rentabilität angeht. Kannst Du uns aus Deiner Sicht nochmal schildern, was da eigentlich falsch gelaufen ist? Die Kritiken waren ja durchweg gut.
Tommy: Ja. Wir hatten von ungefähr 120 Reviews, die wir tatsächlich wahr genommen haben, nur zwei schlechte. Zwei! Einmal der Rezensent von Sat1, der hat uns voll verrissen und auch auf eine wirklich boshafte Art. Das wurde richtig persönlich.
Lilian: Ja, der wurde voll persönlich. Darf ich das sagen?
Tommy: Klar.
Lilian: Der hat zum Beispiel über mein Spiel gesagt, das wäre maximal Theatergruppe Oberstufen-Niveau.
Tommy: Unverschämt! Der sagte auch, man solle sich stattdessen „Fast & Furious“ anschauen, da passiere wenigstens was. Offensichtlich hatte er einen deutlich anderen Geschmack. Zu einem gewissen Grad, wenn es nicht unflätig formuliert ist, ist das auch ok.
Die zweiten waren übrigens Cinema, die fanden uns auch scheiße, wobei man sagen muss, soweit wir das verfolgen können, war der Rezensent jemand, für den Woody Allen noch so das Unterhaltungsartigste ist, das er akzeptiert und ansonsten nur Arthouse. Nun gut, wenn das stimmt, wissen wir, wie sie es einordnen. Aber Fakt ist, sie haben es komplett verrissen. So nach dem Motto: „Was für’n Scheiß, sieht alles billig aus“ und so weiter… Wir wissen ja aber von den anderen 118 Reviews, dass dem scheinbar nicht so ist. Nun denn… Aber Du hast Recht, die Reviews waren definitiv nicht unser Problem. Wir haben wirklich tolle Kritiken bekommen für den Film, die Probleme lagen woanders. Das eine ist: Es gibt in Deutschland drei Kategorien von Film, die produziert werden: Sachen mit Nazis, Komödien und reine Kinderfilme. Und natürlich Arthouse.
Man hat uns dann, mangels besseren Wissens und weil es einfach „Family Entertainment“ im deutschen Kino nicht gibt – zumindest wird es nicht produziert –, in die Kinderfilmschublade gesteckt. Und zwar sowohl Verleih als auch die Kinos, als auch die Zuschauer. Jetzt lief der Film also vormittags und mittags – nur in wenigen Ausnahmen abends –, das heißt die Leute, für die wir ihn unter anderem auch gedreht hatten, konnten ihn gar nicht sehen. Und wer ihn vielleicht hätte sehen können, der hat nichts davon mitbekommen. Das war wirklich dramatisch. Und dann kam noch dazu, dass tatsächlich viele Zuschauer gesagt haben „uh, deutsche Fantasy, das kann ja nur scheiße sein“. Ungeachtet der Tatsache, dass wir in den 20ern bei dem Thema mal führend waren. Gut, das ist jetzt auch schon wieder länger her. Aber auch ungeachtet der Tatsache, dass zum Beispiel die „Unendliche Geschichte“ definitiv ein Film für alle war, den man sich super anschauen kann.
Aber das ist ja auch der einzige Film, der immer zitiert wird, als der „letzte große deutsche Fantasy-Film“…
Tommy: Ja, genau „der letzte große Fantasy-Film“! Das war ja aber genau das, warum viele gesagt haben: „uh, das kann ja nix sein…“ oder „uh, der Herbst…“ [Christoph Maria Herbst; Anm. d. Red.]. Ein Shitstorm war es vielleicht nicht, aber es war wahnsinnig viel Unrat, den wir da bekommen haben. Auch von Leuten, die den Film gar nicht gesehen hatten, aber die sofort gesagt haben: das kann ja nichts werden. Eine, da erinnere ich mich noch dran, hat auf irgendeiner Seite unter einer eigentlich positiven Review den Kommentar hinterlassen: „Das kann nichts werden, denn wenn ein Mann einen Film schreibt mit einem Mädchen als Hauptfigur, das kann einfach nicht funktionieren.“ Also ich war wirklich einfach baff, wie schwierig das war, einfach mal zu sagen: ja, mal kucken, schau ich mir an. Oder meinetwegen sogar zu sagen: hey, ich bin skeptisch, aber ich schau es mir trotzdem wenigstens mal an. Also damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet.
Ich habe es ja selbst gemerkt. Ich habe es wirklich mit Mühe geschafft, mir den Film mal in einer Mittagsvorstellung anzusehen, und ich saß mit nur drei weiteren Leuten in dem Kinosaal.
Tommy: Es war wirklich dramatisch. Es war dramatisch, es war traurig, aber wir konnten wenig tun. Ich meine, Du kannst ja jetzt nicht durch ganz Deutschland fahren und selber Plakate aufhängen, das geht einfach nicht.
Das ist also dem Film passiert, wenn man so will. Zum einen war es wirklich das Problem, dass Leute gesagt haben, ich traue es dem deutschen Film nicht zu, dass er das kann. Das war ein großes Thema. Und zum anderen eben, weil man fälschlicherweise dachte, es wäre ein reiner Kinderfilm, was Harry Potter aber auch nicht ist.
Dann ist aber etwas sehr cooles passiert, nämlich dass der Veranstalter der Role Play Convention gesagt hat: „Du, ich hab gehört, Ihr habt einen geilen Film gemacht und keiner hat ihn gesehen. Das finde ich scheiße. Ich stell Dir umsonst ein Kinozelt hin, auf unserem Freigelände auf der RPC und Du zeigst den Film. Schauen wir mal, vielleicht funktioniert es und wir können ihn zwei oder drei mal zeigen.“ Wir haben ihn dann rund um die Uhr – also so lange die Messe offen war – drei Tage lang durchgehend gezeigt. Vor vollem Haus! Und die Leute waren völlig begeistert.
Es wäre ja auch ein Wunder, wenn 118 von 120 Kritikern den Film gut finden und das komplette Publikum findet ihn dann scheiße.
Tommy: Nein, das war auch nicht so. Das Publikum findet ihn ganz toll, die freuen sich. Auch darüber, dass es ein Fantasy-Film ist, der unterhaltsam in dem Sinne ist, dass er ein paar Pointen hat, die funktionieren. Das ist ja auch mal was schönes. Nach der Role Play Convention kam dann der CosDay, die SciFi-Days, der FaRK [Fantasy und Rollenspiel Konvent; Anm. d. Red.] und jetzt eben hier das Festival Mediaval. Und ab und zu nehmen wir da auch die Lili mit. Wo waren wir noch?
Lilian: In Wien waren wir…
Tommy: Stimmt, in Wien waren wir. Da haben auch Fans selbst eine Vorführung organisiert.
Lilian: Extra abends!
Tommy: Und in Bad Reichenhall waren wir zusammen und ich war noch… wo war ich denn noch? Ich war jedenfalls noch an drei oder vier anderen Orten, wo einfach Leute bei Facebook gesagt haben: hey, wir haben eine Kinovorführung organisiert, weil wir den Film abends sehen wollen. Und ich bin hingefahren und habe mir den Film zusammen mit denen angeschaut.
Das bringt mich jetzt zur Anschlussfrage: Der Film hat ja einiges gekostet und ist finanziell leider nicht wirklich erfolgreich gewesen. Was bedeutet das jetzt für Teil 2 und Teil 3? Für die Fans wäre es natürlich schön, wenn die auch verfilmt werden würden, vor allem auch mit den selben Schauspielern. Das wäre ja sonst blöd. Jetzt wirst ja Du Lili aber auch älter, Du bist ja sowieso schon älter als die Mara im Buch, da darf ja dann auch nicht zuviel Zeit ins Land gehen bis zum zweiten Teil.
Tommy: Das stimmt. Was wir allerdings immer machen können ist, dass wir im Film im Gegensatz zum Buch sagen können, dass zwischen Band 1 und 2 mehr Zeit vergangen ist. Das lässt sich relativ einfach herstellen. Aaaaber… unser Vorteil ist: Die Lili wird gar nicht mehr größer!
Lilian: Genau. [lacht] Die Lili ist seit zwölf ausgewachsen und hat sich, seit sie zwölf ist, auch nicht groß verändert. Als wir zum Beispiel im Rahmen der Film-Promotion ein paar Sachen gedreht haben, für KiKa und so weiter, habe ich mich auch noch ein, zwei mal in Maske geschmissen, und obwohl schon zwei Jahre vergangen waren, seit wir gedreht haben, war das immer noch kein Problem. Wenn ich umgeschminkt bin und die Kontaktlinsen drin habe, sehe ich ganz schnell wieder ganz jung aus.
Tommy: Ein großer Vorteil! Und ich denke, die nächsten Jahre wird das auch so bleiben. Unsere einzige, letzte, große Chance, die wir haben, ist jetzt die DVD. Wenn die DVD funktioniert, wenn bis dahin genug Leute wissen, dass es diesen Film gibt und dem Film wirklich eine Chance geben wollen würden… Also wenn das wirklich ein erfolgreicher DVD-Release ist, dann ist die Chance auf einen zweiten Teil sehr groß.
Es wäre ja wirklich schade, wenn es bei Teil 1 bliebe.
Tommy: Ja, das wäre echt schade. Ich will ja nicht sagen, dass unser Film jetzt die einzige große Fantasy-Hoffnung fürs deutsche Genre ist. Überhaupt nicht! Es gibt an vielen Stellen viele spannende Sachen die gerade entstehen und auch im Horror-Bereich hat die Rat-Pack gerade „Stung“ gemacht, diesen Film mit den Wespen – oder waren es Bienen? –, der überall tolle Kritiken bekommt. Also es wird immer wieder versucht. Demnächst kommt von Sven Unterwaldt irgendwas raus, wo jemand seine Lehrerin geschrumpft hat. Aber es ist ganz ganz erstaunlich, dass die Deutschen das Vertrauen in die deutschen Filmemacher verloren zu haben scheinen, dass die so etwas vielleicht ja doch können. Und wenn es dann passiert, ist es so, dass der eine Filmemacher dem anderen Filmemacher sagt: „Ja also das hättest Du aber auch anders machen können!“ Ich will jetzt nicht wieder auf diese typisch deutsche Neidkultur-Nummer zu sprechen kommen. Trotzdem drängt sich das dann doch immer wieder irgendwie auf, dass man denkt: mann, könnt Ihr nicht einmal offen auf etwas zugehen und mit Freude genießen? Oder wenigstens mal mit offenem Herzen auf etwas zugehen. Das ist krass, ich habe es bei mir selber gemerkt. Ich glaube, wenn ein Fantasy-Film ins Kino gekommen wäre, ein deutscher, wie hätten wir denn reagiert? Wären wir da sofort rein gerannt oder hätten wir gesagt: hmm, mal kucken…? Also wir beide hätten ihn wahrscheinlich aus beruflichen Gründen angeschaut. [sieht Lilian an]
Lilian: Ich freue mich grundsätzlich immer, wenn deutsches Genrekino mal was anderes rausbringt als – tut mir leid – klischeehafte Liebeskomödien oder irgendwas in die „Fack ju Göhte“ – Richtung. Das sind alles nette Filme, aber das ist alles dermaßen typisch deutsch. Zum Beispiel Victoria, der jetzt rauskam – das ist ein unfassbar guter Film!
Ich habe den leider immer noch nicht gesehen.
Lilian: Du MUSST ihn sehen! Unglaublich! Der wird jetzt auch in Hollywood gelobt wie sonstwas.
Tommy: War der erfolgreich?
Lilian: Ja, sehr!
Tommy: Na immerhin!
Lilian: Ja, ich weiß schon. Aber ich freue mich einfach grundsätzlich, wenn deutsches Kino mal ein wenig vom typischen Genre abweicht und sich auch selber mal eine Chance gibt, alles mögliche auszuprobieren.
Tommy: Wir, also auch die Produktionsfirma Constantin, wurden wirklich richtiggehend für diesen Versuch abgestraft, wenn man so will. Aber man hätte auch viel, viel mehr Menschen mit viel, viel mehr Aufwand sagen müssen, dass es den Film gibt. Meine persönliche Meinung dazu ist: „Fack ju Göhte 2“ muss man kaum promoten, das funktioniert sowieso. Ich glaube es wäre sinnvoll gewesen, einmal zu überlegen, ob es nicht andere Filme gibt. Das muss nicht unbedingt Mara sein, sondern auch viele, viele andere Filme, die wie ich finde viel zu wenig beworben wurden, und die es auch gebraucht hätten.
Die Werbung für Mara war ja wirklich kaum existent. Ich habe von dem Film auch nur mehr oder weniger durch Zufall erfahren. Ich habe weder Fernsehwerbung noch Plakate gesehen.
Lilian: Ich glaube in ganz München gab es drei, vier Plakate oder so…
Tommy: Es ist natürlich jetzt einfach zu sagen: da hätte der Verleih viel mehr machen müssen. JEDER Regisseur, jeder Schauspieler wünscht sich, dass der Verleih viel mehr macht. Egal wie viel er macht.
Lilian: Uns war ja klar, dass es ein Risiko ist.
Tommy: Aber dass da eben mehrere Faktoren zusammenspielen, dass da gar nichts vorwärts geht, das hat uns tatsächlich auch kalt erwischt. Und damit hat auch der Verleih nicht gerechnet. Die waren völlig baff. Vor allem, weil die Reviews so gut waren. Die Kritiken waren toll, dauernd kamen Erfolgsmeldungen: „Die finden es toll, die Nautilus findet es gut, die GameStar findet es gut, die Süddeutsche findet es gut, die DPA findet es gut, die BILD-Zeitung findet es gut…“ Da dachten wir natürlich: „Hey, leck mich am A…, das ist ja großartig!“ Und dann hieß hieß es: Ja, aber es geht keiner rein… Mööp.
Ich drücke Euch die Daumen, dass es doch noch was wird!
Tommy: Es ist auch wirklich schade, dass jetzt alles so negativ rüber kommt, weil es ist eigentlich gar nicht negativ. Vor allem, wenn man diese Geschichte jetzt bedenkt, mit unseren ganzen Vorführungen, wo wir den Film zu den Leuten tragen, für die wir ihn gemacht haben. Das ist nämlich echt der Wahnsinn! Ich kann mich nicht erinnern, dass es in den letzten Jahrzehnten so etwas gegeben hat, dass Fans oder auch Interessierte, also Leute, die gar nicht „Fans“ sind, weil sie das Buch gar nicht kennen, einfach nur sagen: „hey, da ist ein Fantasy-Film, der ist schon aus dem Kino raus, ich will ihn abends sehen“ und sich dann zusammenrotten und selbst Vorstellungen organisieren.
Das spricht ja ziemlich für die Mittelalter- und Fantasy-Szene, oder?
Tommy: Ja, das ist toll, genau! Die Organisatoren vom CosDay in Frankfurt, was ja eher ein Anime- und Manga-Fantreffen ist, haben, weil das so toll funktioniert hat, jetzt nochmal zwei Veranstaltungen organisiert, in zwei Kinos in Frankfurt, zu denen sie uns auch eingeladen haben. Einmal während der Buchmesse und dann noch einmal nach Halloween. Dass ist krass! Ich will jetzt nicht sagen: schön, dass es ein Flop war… [lacht]. Aber diese Dinge hätten wir sonst definitiv verpasst. Und das hier auf dem Festival Mediaval gäbe es jetzt auch nicht, und das ist einfach Wahnsinn. Ich meine, es ist IMMER voll. Immer!
Da habe ich mir ja ehrlich gesagt ein bisschen Sorgen gemacht, weil hier immer auch parallel Musikprogramm auf den Bühnen ist.
Tommy: Ich auch. Ich denke, heute abend wird es schwierig.
Lilian: Ja, da spielen Omnia.
Stimmt, da habt Ihr wahrscheinlich…
Tommy: …keine Chance. [lacht] Aber dann können wir früher umräumen, weil wir ja ein bisschen die Challenge haben, dass dieses Zelt auch für die After-Show-Party verwendet wird. Das heißt, wir müssen jeden Abend die Sachen, die kaputt gehen können – und das sind sehr viele –, wegräumen.
Kommen wir noch einmal zum Film selbst: Wie bist Du eigentlich auf Lili als Hauptdarstellerin gekommen? War das ein klassisches Casting?
Tommy: Letztlich schon. Ursprünglich hatten wir eine andere junge Dame, Maja-Celiné Probst, die dann aber im Zuge der Vorbereitung des Films plötzlich einen dermaßenen Wachstumsschub hin zum erwachsen sein bekommen hat, dass das einfach nicht mehr funktioniert hat. Das sah aus, als wäre sie die Geliebte von Professor Weisinger. Aber da Lili Teil meiner Familie ist – sie ist die Tochter meines Stiefbruders –, habe ich immer gedacht, dass kann ich ich nicht bringen. Das ist inzestuös, wenn ich sage: so, jetzt nehme ich hier noch die aus der Familie, und ihr Vater hat schon die Zeichnungen gemacht und so weiter. Dann haben wir wirklich fieberhaft gesucht und irgendwann habe ich dann doch gesagt: wisst Ihr was? Jetzt laden wir sie mal ein, schaut sie Euch an, ich glaube, sie wäre die Richtige. Ich fühle mich zwar irgendwie blöd, aber ich zeig sie Euch jetzt mal. Und dann dauerte es einen Tag und dann war sie’s. Alle waren total begeistert von der Performance und ihrer Natürlichkeit, und das wars. Allerdings war es ein sehr bizarres Casting.
Lilian: Es war deshalb bizarr, weil Tommy meine Mama gespielt hat.
Also die Rolle von Esther Schweins?
Lilian: Ja, die Rolle der Christa.
Das hätte ich zu gerne gesehen!
Tommy: Also wenn wir die Special-Edition machen, dann krame ich das raus und packe es auf die Bonus-DVD. [grinst]
Wie viel Mara steckt eigentlich in Lilian und wie viel Lilian steckt in Mara?
Lilian: Ähm… also vor allem das Dickköpfige, das Mara hat, das habe ich auch sehr, sehr stark. Wenn ich etwas nicht will, dann will ich das auch prinzipiell nicht. Gar nicht! [lacht]
Tommy: Im Sinne von: gar nicht – gar nicht.
Lilian: Gar nicht – gar nicht. Genau. Aber auch an alles mit so ein bisschen Sarkasmus anzugehen, so nach dem Motto „ja nee, is klar…“, das habe ich auch sehr, sehr stark. Ich glaube, viele junge Mädchen können sich einfach damit identifizieren, dass man in diesem Alter Probleme mit seiner Mutter hat. Man hat das Gefühl, man passt nirgendwo so ganz rein und dann kriegt man auch einfach immer irgendwelche Aufgaben, denen man sich überhaupt nicht gewachsen fühlt, aber kann dann auch nichts dagegen machen, weil man dann doch noch irgendwo ein bisschen Kind ist.
Tommy: Das war auch dieses Gefühl, das ich vermitteln wollte. Dieses Alien-Gefühl, …
Lilian: Ja, genau.
Tommy: …wenn Du in der Pubertät steckst, oder auch schon vorher. Eigentlich hat ja jeder Mensch, der so ein bisschen „nerdig“ ist, in einem oder mehreren Momenten in seinem Leben das Gefühl: „Ich passe hier nicht dazu. Was ist denn hier los?“ Kennst Du ja wahrscheinlich.
Ich habe da in meiner Jugend mal ein Gedicht darüber geschrieben…
Tommy [lacht]: Es gibt ja auch dieses Gefühl: Werde ich jetzt hier beobachtet? Ist das alles inszeniert? Was ist denn eigentlich los?
Lilian: Wo ist die Kamera?
Tommy: Genau, wo ist die Kamera? Und das ist, finde ich, ganz typisch für Mara und das steckt auch ein Stück weit in Lili drin, und das merkt man auch. [sieht Lilian an] Damit hattest Du ja die wenigsten Probleme. Das ging ruckzuck.
Lilian: Ich hatte das eben in meiner Teenager-Zeit auch, dass ich nicht so ganz Anschluss gefunden habe. Ich war nie so richtig die Tussi, ich war jetzt aber auch nicht irgendwie ein Nerd oder so. Ich war eben so mitten drin, so ein bisschen zwischen allem, und wusste dann auch nicht so ganz wohin mit mir selbst. Ich habe mich dann in Bücher geflüchtet und ins Fußball-spielen. [lacht]
Tommy: Und da gibt es eben viele. Aber immerhin Fußball! Das ist sehr un-nerdig.
Fußball wird ja nach wie vor als wenig mädchenhaft angesehen, was eigentlich völliger Quatsch ist, gerade bei den Erfolgen unserer Frauen-Nationalmannschaft.
Lilian: Ich habe mir auch in der vierten Klasse die Haare abgeschnitten und gesagt, ich bin jetzt ein Junge, weil ich einfach keinen Bock mehr auf die ganzen Mädchen hatte, für die es nur „Pferde hier und Barbie da“ gab. Das wurde auch nicht als so wirklich cool angesehen. Aber: ich habe mich wohl gefühlt!
Tommy: Nerdig ist das neue Cool!
Mit Nerd gibst Du mir gleich das nächste Stichwort. Wir sind ja hier auf einem Mittelalterfest und im Film waren ja auch viele Leute aus der Mittelalter-Szene als Statisten dabei. Hattet Ihr beide vor dem Film schon Berührung mit dieser Szene? Speziell auch Du Lilian?
Lilian: Schon immer mal. Ich komme ja aus Niederbayern und bei uns um die Ecke ist das Keltendorf Gabreta, da waren wir öfter mal. Für mich war das auch die einzige „Szene“ bei der ich gesagt habe, dass mich das mal so richtig interessieren würde. Bei Science Fiction zum Beispiel bin ich nie so ganz rein gekommen und bin auch, ganz ehrlich gesagt, nicht so der Fan von Star Wars und ähnlichen Dingen. Das ist irgendwie nicht so meins. Und wie schon gesagt, Pferde, Barbie und so weiter, das war es auch nicht. Aber das, also Mittelalter und Geschichte allgemein, fand ich schon immer am aller interessantesten. Ich habe auch früher wirklich von selber die ganzen alten Sagen gelesen, auch die keltischen. Aber es war schon noch einmal viel interessanter, wie viel mehr ich beim Dreh gelernt habe, vor allem auch durch die ganzen Statisten und CosPlayer, die wir bei uns am Set hatten. Ich habe die alle immer total ausgequetscht, so nach dem Motto: „Was ist das, was Du da jetzt anhast?“ oder „was machst Du jetzt genau damit?“ Und so weiter… [lacht] Das war schon echt ziemlich cool.
Tommy: Bei mir ist es so, dass ich eigentlich schon immer Fantasy gelesen habe wie verrückt. Neben Tolkien, Stephen R. Donaldson und Philip José Farmer war Terry Pratchett einfach prägendst für mich.
Lilian: Oh ja…
Tommy: Also wirklich prägend-ST! Wahnsinn, da sieht man, dass Humor und Fantasy wunderbar zusammen geht. Ganz großartig, und zwar in verschiedenen Dosierungen, das war für mich sehr wichtig. Ich habe mich immer schon für alles was alt oder antik war interessiert und fand Mittelalter, Frühgeschichte und das alles wahnsinnig spannend. Aber so richtig klick gemacht hat es bei mir erst – und das ist bei mir typisch –, als ich etwas damit machen konnte. Mich einfach nur dafür interessieren, das geht für die Klo-Lektüre. Aber dann etwas damit machen, etwas Kreatives schaffen und mich dann so richtig reinfuchsen, das ist sehr mein Ding. Und mittlerweile ist es auch wirklich so – ich bin ja auf Facebook in mehreren Gruppen aktiv –, dass wirklich Leute MICH Fragen fragen, die – ok, wahrscheinlich in höherem Härtegrad – auch Professor Simek bekommen würde – den ich dann wiederum frage. [lacht] Das ist schon irgendwie cool, dass ich jetzt tatsächlich langsam das Gefühl habe, ich bewege mich mit einer gewissen Erst-Sicherheit in diesem Thema. Das macht irre Spaß! Und ich war immer schon auf Mittelalterveranstaltungen einfach so unterwegs, nicht unbedingt wegen der Musik, sondern eher wegen dem Flair und den Leuten. Und jetzt natürlich verstärkt, jetzt kann ich da ja sogar noch was machen, das ist noch toller. Etwas beitragen ist für mich immer das Schönste.
Das kann ich verstehen. Kommen wir zum Schluss. An was arbeitet Ihr beiden gerade aktuell?
Lilian: Ich bin gerade aus London zurück und habe da Schauspielkurse gemacht, weil mich die britische Art an Schauspiel und Film ranzugehen sehr interessiert hat. Und im nächsten Jahr möchte ich einfach versuchen noch mehr ganz tolle Rollen zu bekommen und vielleicht an einer Schauspielschule angenommen zu werden. Ich arbeite sozusagen einfach daran, arbeiten zu dürfen – als das, was ich gerne möchte.
Tommy: Da hat sich bei mir in den letzten 40 Jahren nicht viel geändert. Genau so ist es bei mir eigentlich auch. Ich möchte einfach nur gerne in dem weiter arbeiten, was ich gerne mache. Aktuell habe ich jetzt gerade den ersten Band einer neuen Romanserie fertig gestellt. Das Buch heißt „Ghostsitter“ und handelt von einem Jungen, der eine Geisterbahn erbt – mit lauter echten Geistern, um die er sich dann kümmern muss! Das ist für ein jüngeres Publikum konzipiert und vornehmlich humorvoll. Und nächstes Jahr werde ich mit einer neuen Mara-Trilogie beginnen. Die Storyline habe ich schon; Arbeitstitel ist „Mara und die Wolfskrieger“.
Kannst Du zum Inhalt schon etwas verraten? Oder ist das noch streng geheim?
Tommy: Also was man schon verraten kann ist, dass Mara natürlich älter geworden ist und immer noch zusammen ist – achtung, das ist jetzt gespoilert – mit dem, mit dem man denkt dass sie zusammen sein sollte. Aus dieser Verbindung und diversen Irrungen und Wirrungen generiert sich die Problematik der drei Bände, weil das ja doch eine recht spezielle Person ist, mit der sie da liiert ist. Und was auch jetzt schon sehr viel Freude macht, ist darüber nachzudenken, wie es denn mit dem Professor und Maras Mutter weiter geht. Das ist wirklich eine große Freude und macht extrem viel Spaß. Wobei ich natürlich auch die Ex-Frau von Professor Weisinger nicht vergessen werde, weil es einfach so viel Spaß macht, die zu schreiben.
Die macht auch Spaß beim Lesen. Überhaupt diese ganze Dreiecksgeschichte…
Tommy: Ja, das ist wirklich eine ganz große Freude. [lacht] Und das ist ja auch ungewöhnlich für einen Fantasy-Roman, also dieser beziehungskomödiantische Screwball-Touch mit diesen sehr schnellen Dialogen und sehr scharfen Pointen. Immer so hinten am Ende des Satzes „Bämm!“ machen, nächster Satz – „Bämm!“,… das macht mir viel Spaß. Und das habe ich so auch noch nicht wirklich gelesen. Wie gesagt, Pratchett ist da schon ein großes, großes Vorbild, wobei es bei ihm natürlich deutlich karikierter ist. Bei mir ist es ja immer so, dass die Leute eigentlich halbwegs normal sind.
Ich freue mich schon auf die neuen Mara-Bücher und drücke Euch natürlich alle Daumen, dass die DVD ein Erfolg wird und es auch eine filmische Fortsetzung geben wird. Vielen Dank für das Interview!
Lilian: Ich danke Dir.
Tommy: Danke.
Mara und der Feuerbringer – jetzt erhältlich auf DVD und BlueRay!
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