Wenn einen die unbekannte Vorband eines Major Acts in einer großen Halle so positiv überrascht, dass man beim nachhausegehen denkt, hey, eigentlich war heute der Support das Interessantere, und einen die gleiche Band nicht einmal 2 Monate später bei ihrem Headliner-Clubkonzert endgültig vollständig wegbläst, dann darf man wohl zu Recht von der Entdeckung des Jahres sprechen.
Der besagte Major Act war GARBAGE und bereits in deren Vorprogramm hatten mich DREAM WIFE (wie hier nachzulesen) sehr positiv überrascht. Bei ihrem Auftritt im wesentlich kleineren Rahmen, im Berliner Club Musik & Frieden, bestätigte sich noch einmal, dass der Bandname bei den drei Londoner Punkgirls Programm ist. Aber immer langsam, bevor die Damen und ihr komischerweise nie genannter Live-Drummer Alex Paveley an dem Abend vors Publikum traten, schickten auch sie einen Support vor, und zwar eine ganz besonderen.
Im ersten Moment scheint ein Hiphop-Act als Anheizer für eine Punkrockband ein wenig seltsam. In diesem Fall machte es jedoch durchaus Sinn, denn die isländischen Rapperin Vigdís Ósk Howser Harðardóttir aka FEVER DREAM ist auf dem DREAM WIFE Debütalbum bei einem Track als Gast zu hören. Ok, auch hier schon eine seltsame Paarung, die aber wiederum dadurch verständlich wird, dass Vigdís und DREAM WIFE Fronterin Rakel Mjöll(sdottir) nicht nur isländische Wurzeln teilen, sondern auch inhaltlich voll auf einer Wellenlänge liegen.
Zusammen mit ihrer DJane Stella Zekri an den Turntables lieferte Vigdís eine durchaus bemerkenswerte Show, bei der mich am Ende lediglich die doch sehr inflationäre Verwendung des Wortes „bitch“ ein wenig störte. Aber das muss wohl im Hiphop so… Dabei waren die meisten Texte auf Isländisch, was, auch wenn man dadurch natürlich den Sinngehalt der Songs nicht verstand, zumindest deutlich machte, dass diese Sprache sich hervorragend für Rap eignet.
Nach einer kurzen Umbaupause stürmten dann endlich die Traumfrauen die kleine Bühne des leider nicht zur Gänze gefüllten Musik & Frieden, und „stürmten“ ist hier wörtlich zu nehmen. Wie bereits im Huxleys versprühten die drei vom ersten Ton an eine absolut mitreißende, rotzfrech-fröhliche Energie, die sich durch die geringe Größe des Clubs und den fehlenden Bühnengraben noch einmal viel direkter aufs Publikum übertrug. Die drei gehen live einfach ab wie Flummis, allen voran Rakel, die nicht nur auf der Bühne in jedem Moment den Kontakt zu den ersten Reihen suchte, sondern auch schon mal kurzerhand nach unten sprang, um mit und zwischen den Fans zu tanzen.
Für Stimmung war also ausreichend gesorgt und das eigentlich bei jedem Song. Wenn man unbedingt besondere Highlights herausheben will, so wurden wohl der gender-kritische Hit „Somebody“ („I am not my body, I’m somebody!”) und „F.U.U.“ am meisten abgefeiert. Letzterer Song wurde an diesem Abend natürlich noch dadurch veredelt, dass es sich die anwesende FEVER DREAM nicht nehmen ließ, ihren Album-Gastpart zusammen mit der Band zu performen.
Einziger Wermutstropfen waren dann eigentlich nur die fehlenden Zugaben. Das heißt, eigentlich sollte es die, wirft man einen Blick auf die Setlist, wohl geben… bei der guten Stimmung entschieden sich die Drei (bzw. Vier, warum zum Teufel vergisst man eigentlich immer den Drummer?) dann aber scheinbar dafür, gleich durchzuziehen. Das „Mehr“scheiterte dann schlicht am Mangel an zusätzlichem Material – das Debüt ist ja eben erst frisch erschienen und damit ist die Auswahl an Songs eben nur begrenzt. Der frenetische Applaus des Publikums lockte Rakel, Alice und Bella dann trotzdem noch zweimal zurück auf die Bühne und mit ihrem Versprechen, dass es beim nächsten Mal definitiv mehr geben würde, ging ein grandioser Konzertabend schließlich zu Ende.
So publikumsnah wie auf der Bühne zeigten sich die drei übrigens auch nach dem Konzert am Merch, wo sie noch eine ganze Weile mit den Fans plauderten.
Setlist:
- Spend The Night
- Lolita
- Fire
- Taste
- Love
- Kids
- Somebody
- Act My Age
- Right Now
- FUU
- Hey Heartbreaker
- Let’s Make Out