Festival Mediaval XIII: Festival Mediaval mal anders

Endlich wieder Mediaval! Nach zwei pandemiebedingten, kleineren Veranstaltungen auf dem Goldberg gab es im September dieses Jahres endlich wieder die große Ausgabe des Festivals.

Es ist beinahe ein kleines Wunder, dass das Festival Mediaval die Corona-Zeit überstanden hat. Möglich wurde dies durch die Treue und ungebrochene Begeisterung, die neben der Orga nicht nur das Publikum, sondern auch viele Künstler*innen der Veranstaltung entgegenbringen.

So fanden während der Pandemiezeit zwei Benefiz-Open Airs statt, natürlich unter Einhaltung aller geltenden Corona-Auflagen, bei dem alle Einnahmen einmal dem Festival und einmal den Künstler*innen zu Gute kamen. Nun nach zwei Jahren also endlich wieder die große Sause. Auf dem Programm stand das um zwei Jahre verschobene Rock- und Metal Special.

Eigentlich war die Bandauswahl nicht so meines, meine „harten“ Zeiten liegen schon eine ganze Weile zurück. Zumal die einzigen, die mich am ursprünglich für 2020 angekündigten Lineup wirklich gereizt hätten, nämlich WARDRUNA, sich aufgrund unmäßiger nachträglicher Gagenforderungen leider selbst aus dem Spiel gekegelt hatten. Warum das Mediaval trotzdem immer einen Besuch lohnt, und ich wie jedem Jahr ein großartiges Festival hatte? Ich will versuchen, die Gründe dafür aufzuzählen, wobei sich der wichtigste allerdings kaum in Worte fassen lässt. Aber fangen wir einfach mal an:

Freitag:

Nach der üblichen Eröffnung durch Bläcky und die Festival-Crew, bei der auch die neue Festival-Hymne „Wir sind das Mediaval“ (zur Melodie von „Wellerman“) erstmals erklang, starteten FIRKIN das Wochenende auf der Schlossbühne. Die Ungarn, bereits zum weiten Mal in Selb zu Gast, sorgten mit ihrem FIDDLERS GREEN artigen Folkrocksound gleich schon einmal für gehörig Stimmung.

Mich aber zog es dort sehr schnell weg, hin zu dem Ort, an dem ich den Großteil des Wochenendes verbringen sollte, und das nicht nur, weil er ein Dach zum Schutz vor dem an diesem Wochenende doch recht launischen Wetter bot:

Das Literaturzelt hat sich in den letzten Jahren nicht nur für ausgemachte Fans deutschsprachiger History- und Fantasy-Literatur zu einem versteckten Höhepunkt des Festivals entwickelt. Versteckt ist hier auch wörtlich zu nehmen, denn da man für Lesungen bekanntlich Ruhe benötigt, liegt es etwas abseits des ganzen Trubels am Berghang. 

Los ging es dort am Freitag gleich mit einem Highlight. BERHARD HENNEN und ROBERT CORVUS lasen aus ihrer aus dem DSA-Kosmos stammenden Phileasson Saga.  Die beiden sind schon bei Einzellesungen gut, als Duo machen sie aber noch einmal mehr Spaß, und so war gute Stimmung garantiert, inklusive Mitsing-Teil fürs Publikum.

Robert Corvus und Bernhard Hennen

Etwas weniger komödiantisch aber nicht weniger gut ging es danach weiter mit MONIKA LOERCHNER, und ihrem Roman „Der Zorn des Schattenkönigs“. Eine spannende Geschichte, die das Schicksal mehrerer Personen in zwei sehr unterschiedlichen, voneinander getrennten Reichen erzählt.

Anschließend wurde es schmerzhaft für das anwesende Mannsvolk, wenn auch nur literarisch: „Vagina Dentata“ – die bitterböse Fantasy Satire der großartigen LUCI VAN ORG kann man aber auch als Mann durchaus gefahrlos lesen. Auch bei dieser dritten Lesung war das Zelt gut gefüllt und die Stimmung bestens, zumal Luci zwischenzeitlich auch mal zur Gitarre griff.

Luci van Org

Das sollte sie später am Abend erneut tun, doch zunächst stand für mich ein kurzer Ausflug ins musikalische Geschehen an. TANZWUT sorgten für einen gehörigen Massenauflauf und veritablen Hexenkessel vor der Burgbühne, und dass trotz krankheitsbedingt veränderter Besetzung. Hätte man glatt ein bisschen länger bleiben können. Wenn nicht…

…wieder das Literaturzelt gerufen hätte. Dieses Mal tatsächlich aber auch mit einem Music Act, oder besser mehreren. Die bereits erwähnte LUCI VAN ORG war erneut am Start, diesmal für eine Jam-Session zusammen mit niemand anderem als TOMMY KRAPPWEIS. Der Comedian, Autor, Streamer, Producer, Regisseur und sowieso Hans Dampf in allen Gassen ist nämlich – entgegen eigenem Bekunden – auch ein wirklich guter Musiker. Kurzerhand hatte man noch Ex-OMNIA-Drummer ROB VAN BARSCHOT zwangsverpflichtet, der an diesem Wochenende mit seiner Solo-Percussion-Show auf dem Festival zu Gast war, und so groovten sich die drei launig durch jede Menge Blues- und Lagerfeuer-Klassiker. Als Sahnehäubchen stieg dann auch noch TINI von PURPUR mit ein und spätestens damit wurde der vorläufige Tagesabschluss im Literaturzelt eine echt runde Sache.     

Luci, Tommy, Tini, Rob

Headliner auf den Hauptbühnen waren am Freitag ASP, die als Ersatz für WARDRUNA ins Programm gekommen waren. Da die Band schon mehrfach live gesehen hatte, mit Auftritten verschiedener Güteklasse, hatte ich keine allzu großen Erwartungen, wurde aber positiv überrascht. Alexander Spreng und die Band – als Gast an der Geige an diesem Abend die großartige SHIR RAN YINON – versprühten bei der Tour der Force durch die Bandgeschichte jede Menge Energie und gute Laune. Schöner Abschluss und definitiv eines der besseren ASP-Konzerte, die ich gesehen habe.

ASP

Aber was heißt Abschluss? Der Tag konnte natürlich nirgendwo enden als im Literaturzelt, wo sich zu vorgerückter Stunde der unvergleichliche CHRISTIAN VON ASTER für eine Mitternachtslesung die Ehre gab. Zu hören gab es passenderweise unter anderem die Geschichte von der „Mitternachtshüpfburg“, die mich ein ums andere Mal zum Schmunzeln bringt.

Christian von Aster

Samstag:

Am Samstagmittag konnte ich nur kurz im Vorbeilaufen den Klängen von KUPFERGOLD, den Awardgewinnern des Vorjahres, lauschen, denn ich war schon wieder auf dem Weg ins Literaturzelt, wo AXEL HILDEBRAND aus „Aussen – Asgard – Tag: die unverfilmten Drehbücher von Loki & Thor“ las. Hildebrand, von Beruf tatsächlich Drehbuchautor zahlreicher TV-Krimiserien, hat in diesen Gespräche zwischen den beiden nordischen Göttern festgehalten, wie sie sich garantiert nie zugetragen haben. Die „Divine Comedy“ sorgte für reichlich Gelächter und gute Laune zum Tagesbeginn.

Axel Hildebrand

Danach folgte ein kleiner Ausflug zur Theaterbühne, denn: kein Festival Mediaval ohne PURPUR. Tini und Judith aka Gabria und Leonora muss man einfach einmal am Festivalwochenende gesehen haben – so will es das Gesetz!

Zurück im Literaturzelt wurde es dort schon langsam voll vor, aber auch auf der Bühne. Für die Lesung aus der unter der Regie von Literaturzelt-Initiatorin AMANDARA entstandenen Kurzgeschichten-Sammlung „Wir sind die Bunten“ versammelten sich dort insgesamt 10 Autor*innen, was platztechnisch für einiges Kopfzerbrechen sorgte. Die Menschenfülle im Zuschauerraum war aber mit Sicherheit nicht dem Regen zu verdanken, der gerade einmal wieder fröhlich vom Himmel fiel, denn die Stories in der Anthologie drehen sich alle auf die ein oder andere Weise um das Festival Mediaval.

FM-Anthologie-Lesung

Da hernach gleich wieder CHRISTIAN VON ASTER las, diesmal aus seinen „Troll!“ Geschichten, gab es erst einmal keinen Grund, das Zelt zu verlassen und so hatte ich auch bis zum frühen Abend an diesem zweiten Tag herzlich wenig vom musikalischen Geschehen mitbekommen.

Das änderte sich erst mit LQR. Ich muss gestehen, dass ich sehr lange gebraucht hatte, um die Bedeutung des Kürzels und damit den Bandnamen zu verstehen. Und dieser Name war Programm, denn während des Auftritts war der Sänger zwischenzeitlich im Publikum unterwegs und goss jedem, der Willens war, Whisky in die durstige Kehle. Nicht, dass es die Niederländer nötig gehabt hätten, mit ihrem punkigen Folkrock sorgten sie auch so für gehörig Bewegung vor der Burgbühne. Der ein oder andere war aber sicher dankbar für den wärmenden Schluck bei dem immer noch schmuddeligen Selber Wetter.

Es folgten die für mich beiden positivsten Überraschungen des Wochenendes. Auf der Schlossbühne waren CORVUS CORAX angekündigt. Man könnte meinen, man hätte die Band oft genug gesehen, aber was die Berliner an diesem Abend auf der Schlossbühne im wahrsten Sinne des Wortes abfackelten, ließ mir die Kinnlade nachhaltig nach unten klappen. Für ihre „Era Metallum“ Show hatte sich die Band jede Menge Unterstützung geholt: Neben zusätzlichen Musikern und Gästen wie der isländischen Opernsängerin ARNDIS HALLA sorgten jede Menge Wikinger, eine Erzählerin, die Airial-Silk-Artistin SIMONE HEITINGA, die gruseligen Masken der SCHATTENWELT SÜDHARZ und eine grandiose Feuershow von PYROSTYX dafür, dass dieses Konzert zu einem der denkwürdigsten in der Mediaval-Historie werden sollte. Richtig großes Kino! Und als wäre es nicht schon genug, hatte Sänger CASTUS RABENSANG an diesem Tag auch noch Geburtstag und wurde am Ende der Show vom Mediaval-Team auf der Bühne mit einer eigens gebackenen Torte überrascht. 

Corvus Corax

Noch überraschender, weil mir bis dahin unbekannt, war für mich dann die französische Band CELKILT.  Der keltische Folkrock des Quintetts und vor allem die flummi-artige Energie der Musiker*innen auf der Bühne sprang sofort über und die Stimmung vor der Burgbühne kochte innerhalb kürzester Zeit. Bands wie FLOGGING MOLLY oder DROPKICK MURPHYS sollten sich definitiv warm anziehen – die Franzosen sind wirklich absolut großartig und waren für mich der musikalische Höhepunkt des Tages!  

Celkilt

Die anschließende Show von ALESTORM, des eigentlichen Tages-Headliners, war dann nicht so wirklich meines. Für den Piraten-Metal im Baywatch-Outfit und mit überdimensional aufgeblasener Gummiente auf der Bühne war mein innerer Met-Pegel an diesem Abend wohl nicht hoch genug. Die Menge vor der Schlossbühne schien aber ihren Spaß zu haben.

Den stimmungsvollen Abschluss des Samstags bildete dann das Konzert der sibirischen Band NYTT LAND, die in der minimalistischen Duo-besetzung angereist war. Mit ihrer Mischung aus Trommeln, Elektronik und dem wandlungsfähigen Gesang von Sängerin Natalya Pakhalenko versetzen sie die Anwesenden zu nächtlicher Stunde in einen düsteren russischen Märchenwald.

Nytt Land

Sonntag

Der Sonntag begann, wie sollte es anders sein, für mich wieder im Literaturzelt, denn dort hieß es „und täglich grüßt TOMMY KRAPPWEIS“. Nach der Session am Freitag und der Teilnahme an der Anthologie-Lesung am Samstag erzählte er nun über beziehungsweise las aus seiner „Ghostsitter“-Reihe. Wie bei seinen Auftritten üblich, platzte das Zelt schon zum Tagesauftakt fast vor Zuschauer*innen.

Tempus

Am letzten Tag hatte ich mir vorgenommen, die Welt außerhalb des Literaturzelts nicht erst wieder am Abend wahrzunehmen, und so kam ich zu einer weiteren schönen Neuentdeckung: TEMPUS aus Tschechien spielten am Nachmittag auf der Schlossbühne Fantasy-Mittelalterfolk in bester BLACKMORE’S NIGHT Manier und verzauberten das Publikum mit ihrem sympathischen Auftritt. Obwohl ich gerne mehr davon gehört hätte, war das Verweilen nur kurz, denn ich wollte pünktlich zum Auftritt von COPPELIUS kommen, die als nächster Act unten auf der Burgbühne angekündigt waren. Es ist immer ein Ereignis, wenn sich diese Herren die Ehre geben und auch an diesem Tag bewiesen sie ihre Qualitäten als großartige Liveband. Dass Butler Bastille zufällig noch Geburtstag hatte, war der Stimmung natürlich auch nicht abträglich.

Coppelius

Leider musste ich die Klarinetten-Core-Party auch wieder vorzeitig verlassen, denn, natürlich, es rief einmal das Literaturzelt. ANDREA BANNERT, die man sowohl als Wissenschaftsjournalistin wie als Musikerin bei TIBETRÉA kennt, las und sang aus dem dritten Band ihres Unterwasser-Fantasy-Epos „Clyátomon“. Durch die Musikteile und die permanente Musik- und Geräuschuntermalung der Leseteile durch Mitmusikerin Betty Baindl geriet das ganze zu einem atmosphärischen Hörspiel, das die Zuhörer bis zum Ende in seinen Bann zog.  

Andrea Bannert

Ein kurzer aber nötiger Ausflug auf die Fressmeile des Marktes ließ mich die vorletzte Lesung im Zelt dann leider verpassen, für den Abschluss des literarischen Wochenendes war ich dann aber rechtzeitig zurück, denn abermals hatte TOMMY KRAPPWEIS am Lesetisch Platz genommen und las erstmals aus dem Nachfolgeband zu seiner „Mara“-Trilogie. Mit der filmischen Umsetzung des ersten Teils dieser Trilogie war TOMMY ja bekanntlich 2015 zum ersten Mal zu Gast auf dem Festival und zählt seither zu den immer wieder gern gesehenen Künstlern auf dem Goldberg. Kein Wunder also, dass das Literaturzelt noch einmal bis zum Bersten gefüllt war. Die Passage, die TOMMY aus „Mara und die Wolfskrieger“ vorlas, enthielt dann einerseits bereits einen veritablen Spoiler, andererseits schraubte er damit die Spannung auf die ganze Geschichte natürlich gehörig in die Höhe. Man kann nur hoffen, dass der Tausendsassa bei all seinen anderen Projekten möglichst bald die Zeit finden wird, die Bücher – es wird sich nämlich wieder um eine Trilogie handeln – fertigzuschreiben.

Tommy Krappweis

Das Literaturzelt hatte nun also fertig, und so lenkte ich meine Schritte zu SKILTRON, dem letzten Programmpunkt auf der Burgbühne für dieses Jahr. Die ursprünglich aus Argentinien stammende aber seit einiger Zeit in Europa ansässige Band bot eine gut gelaunte Powermetal-Show mit Dudelsack, von der sich manch andere Band dieses Genres eine dicke Scheibe abschneiden könnte. Beim Song „The Rabbit Who Wanted To Be A Wolf“ bekamen SKILTRON dann auch noch Unterstützung von KORPIKLAANI-Frontmann Jonne, der anschließend mit seinen Jungs auf der Schlossbühne das Festivalwochenende zu einem fulminanten Abschluss bringen sollte.

Skiltron

Von dem Auftritt der Finnen habe ich dann allerdings gar nicht mehr so viel mitbekommen, außer der auch von weitem merkbaren großartigen Stimmung im Publikum, denn so langsam neigten sich meine Energiezellen dem Ende und ich beschloss, den Rest des Abends gemütlich mit Freunden und Kollegen ausklingen zu lassen. 

Korpiklaani

Und damit kommen wir eigentlich zum wichtigsten Punkt. Dem, was sich wie eingangs erwähnt so schwer in Worte fassen lässt: Die besondere Stimmung, das Miteinander, das Gefühl des großen Familientreffens, das das Mediaval jedes Mal aufs Neue vermittelt. Wobei das Bild von der „Familie“ heutzutage ja recht inflationär verwendet wird – kaum ein Unternehmen, das es nicht in irgendeiner Weise für die eigene Firmenkultur in Anspruch nähme. Im Falle dieses Festivals stimmt es allerdings zu 100%. Bedürfte es dafür eines Beweises, so wurde der in diesem Jahr eindeutig erbracht. Am Samstagvormittag machte nämlich eine Hiobsbotschaft die Runde: Ausgerechnet die freiwilligen ehrenamtlichen Helfer*innen waren in der Nacht auf dem Campingplatz von professionellen Dieben heimgesucht worden, die Geld und Wertsachen aus den Zelten entwendeten. Anstatt nur Bedauern und Mitgefühl auszudrücken, wurde von einigen findigen Menschen eine Spendenbox organisiert, und die Nachricht darüber unter Künstler*innen, Händler*innen, Pressevertreter*innen und natürlich dem Publikum verbreitet. Am Abend des gleichen Tages bedankten sich dann die bestohlenen Helfer*innen auf der Schlossbühne unter Tränen für diese Solidarität, denn es war nicht nur genug zusammengekommen, um allen Bestohlenen den Verlust vollständig zu ersetzen, sondern noch viel, viel mehr. Das überschüssige Geld soll von den Organisatoren nun für die Anschaffung notwendiger Ausstattung verwendet werden, die im kommenden Jahr wiederum den Helfer*innen zu Gute kommen wird. Was soll man da noch anderes sagen als…

…Festival Mediaval forever!

Florian Hessler

Über Florian Hessler

Archäologe, Historiker und freier Journalist (u.a. Zillo Medieval, Sonic Seducer, Miroque, Metal-District, Piranha) floh.hessler(at)schubladenfrei.de
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