Felix Meyer – Struwwelpeter, Kronach (Konzertbericht)

Schon seit 17 Jahren macht FELIX MEYER Straßenmusik und hat dabei viel Zeit in den Innenstädten deutscher Großstädte verbracht. Das scheint ihm fürs Erste genug gewesen zu sein. Die Landstraßenmusiktour, auf der er und sein Bandkollege Erik Manouz vor allem in Kleinststädten spielen, führte die beiden am vergangenen Montag ins beschauliche oberfränkische Kronach. In einem sehr persönlichen Konzert spielten sie ihre irgendwo zwischen Folk, Pop und Chanson angesiedelten Lieder, ausnahmsweise ohne sich erst gegen Einkaufsstraßenhektik und Straßenlärm durchsetzen zu müssen.

„Das ist so Hälfte, Hälfte Stammpublikum und Leute, die uns gerne sehen wollten“, vermutete die Band und könnte mit dieser Einschätzung ziemlich richtig gelegen haben. Schüchtern waren sie jedenfalls, die Kronacher. Auch nach mehreren Aufforderungen wagten sich nur wenige in die erste Reihe, die restlichen Plätze waren gut belegt. Auf dem Dachboden des Clubs hatten die Musiker auf der niedrigen, von Holzbalken umrahmten Bühne ihren roten Teppich ausgerollt, der eine gemütliche Wohnzimmeratmosphäre verbreitete. Am rechten Bühnenrand stand ein kleines, buntes Karussell mit Holzpferdchen, auf der anderen Seite reckte ein Roboter den Zuschauern einen Strauß Plastiktulpen entgegen. Hinter den Mikrofonen hatten es sich die beiden Hauptpersonen des Abends bequem gemacht. Die Beine lässig übereinandergeschlagen und mit jugendlicher Strubbelfrisur stimmte FELIX MEYER „Bilder wie Gefühle“ an. Erik begleitete ihn an der Gitarre, den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen. Ab und an ließ er mit dem Gitarrenhals das Becken klingen und bei „Weiß ich, bzw. glaub ich“ spielte er die Hang, eine aus der Steelpan entwickelte Metalltrommel mit hypnotischem, hellen Klang.

Die oft melancholischen Lieder zeichnen sich durch ihre feinsinnigen, detailreichen Texte aus, die sich angenehm vom Radioeinerlei abheben. Sie zeichnen bunte, lebendige Bilder, weisen auf Alltagsskurilitäten hin und lassen unscheinbare Kleinigkeiten urplötzlich wichtig werden. Sänger Felix erzählte zwischen amüsanten Anekdoten vom Touralltag, dass er selbst eher über den Text als über die Melodie zur Musik findet: „Jaques Brel hat mich quasi angesprungen“. Er räumte ein, dass es bereits einige gelungene Übersetzungen von dessen Liedern gibt, darunter Versionen von Hildegard Knef oder von Klaus Hoffmann, der dem Chansonnier ein komplettes Album widmete. Nicht zu den bekanntesten Liedern des Franzosen zählt ein „leises, kleines, unauffälliges Stück“, dessen Titel „Il neige sur Liège“ FELIX MEYER mit „Schnee fällt auf Krefeld“ übersetzt hat. Die meisten der im Laufe des Abends gespielten Stücke stammten aus eigener Feder. Ausnahmen hierzu bildeten neben der Brel-Interpretation die ergreifende Übersetzung von „La Corrida“ von Francis Cabrel, die den Stierkampf aus Sicht eines Stiers schildert, und das eingängige „Wann?“ von Rio Reiser, das sich überraschend gut ins Set einfügte.

„Ich hatte mir mal etwas fest vorgenommen…“, begann Felix und erklärte, dass er niemals auf der Bühne Mundharmonika spielen wollte. Eigentlich besteht die Band um Frontmann Felix aus sechs Musikern, und so gab es bisher immer jemanden, der das Instrument spielen konnte. Auf der Landstraßenmusiktour war nun alles ein wenig anders. „Dann sagt man das einmal zu und probiert das einmal aus und macht das einmal auf der Bühne und schon macht man es jeden Abend“. Auch Erik wagte sich an neue Aufgaben und übernahm den Hauptgesang bei „Zu Hause“ – etwas, das sich gern einbürgern dürfte. Überhaupt gab es an diesem Abend viel Neues zu erleben und die ein oder andere spektakuläre Showeinlage zu bestaunen. Knapp die Hälfte der gespielten Lieder wurden noch nicht auf einem regulären Studioalbum veröffentlicht, einige sind jedoch auf der CD „Postkarten“ zu hören, die nur bei der Band direkt erhältlich ist. Zu den Liedern, die noch nicht allzu lang Teil des Programms sind, gehörte „Fantasie“. Es hatte zwar schon länger einen Text und eine Melodie, wurde aber erstmals auf dem diesjährigen TFF in Rudolstadt live vorgestellt. Die vielen Auftritte dort hatten tatsächlich auch einige Besucher aus Kronach auf die Band aufmerksam gemacht und in den Struwwelpeter geführt.

Nach dem offiziellen Teil des Abends folgten noch zwei Zugaben, eine davon auf Publikumswunsch hin „Der Wind trägt uns davon“ vom Debütalbum „Von Engeln und Schweinen“. Auf der nächsten Tour in kompletter Besetzung wird FELIX MEYER vermutlich eher in Nürnberg als in Kronach Station machen, so dass die Kronacher eine Weile ohne „Sensationen, Orchester, Magie“ auskommen werden müssen. Doch wie in „Kaffee ans Bett“ sehr treffend festgestellt wird ist „manchmal viel öfter als nie“ und der zuvor recht ruhige Montagabend endete mit lautem Applaus und Standing Ovations.

Setlist:
01. Bilder wie Gefühle
02. Nordwind
03. Schnee fällt auf Krefeld
04. Manchmal
05. ?
06. Zu Hause
07. Einverstanden
08. Fantasie

09. Postkarten
10. Bisher noch unerreicht
11. Irgendwas immerhin
12. Weiß ich, bzw. glaub ich
13. Wann?
14. La Corrida
15. Gummibaumblätter

16. Der Wind trägt und davon
17. Kaffee ans Bett

Janina Stein

Über Janina Stein

Kulturgeographin, Fotografin und freie Journalistin, zuletzt 1 ½ Jahre unterwegs in Neuseeland, Australien und Asien. janina.stein (at) schubladenfrei.de
Dieser Beitrag wurde unter gesehen, Konzerte & Festivals abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.