VIC ANSELMO / MORAN MAGAL + STIMMGEWALT – (21.04.2017) – Berlin, TheArter Galerie

Vic Anselmo 3Akustik-Konzerte von VIC ANSELMO sind immer ein Erlebnis. Wenn sie dazu noch in einem intimen Rahmen vor nur etwa 100 Zuschauern stattfinden, wie unlängst in Berlin, ist die Gänsehaut eigentlich garantiert.

Moran Magal 1Dass sich die Reibeisen-Pelle tatsächlich einstellt, ist bei den Temperaturen in der kleinen TheArter Galerie im Stadtteil Lichtenberg allerdings eins ums andere Mal ein Wunder, doch dazu später. Bei ihrem letzten Besuch an gleicher Stelle etwa ein Jahr zuvor hatte Vic noch den Abend für ANNEKE VAN GIERSBERGEN eröffnet. Dieses Mal war sozusagen sie die Hauptattraktion, beziehungsweise spielte sie zumindest an zweiter Stelle. Zuvor gab es die israelische Sängerin und Pianistin MORAN MAGAL zu erleben, der jedoch in etwa die gleiche Spielzeit zur Verfügung stand, so dass man kaum von einem Support Act sprechen kann, sondern eher von einem Doppelkonzert. Rein was die Menge der auftretenden Personen anging, war diese Aufteilung in jedem Fall gerechtfertigt, denn genaugenommen handelte es sich sogar um ein Dreifach-Konzert. Moran brachte nämlich nicht nur ihre Moran Magal 2Band, sondern auch gleich noch den Chor STIMMGEWALT zur Verstärkung mit auf die winzige Bühne. Der kleine schwarze Gesangverein wird in der Berliner Düster-Szene für stimmungsvolle A-Capella-Versionen von bekannten Gothic- oder Metal-Songs geschätzt. Für ebensolche Akustik-Cover ist eigentlich MORAN MAGAL bekannt, an diesem Abend präsentierte sie jedoch ihre – nicht minder guten – Eigenkompositionen. Vielleicht wären ein wenig mehr Coversongs aber dennoch gut gewesen, denn bis auf sehr sporadische Einsätze stand der Chor so die meiste Zeit untätig und quasi nur als Verzierung in der Gegend herum. Gegen Ende des Sets bekamen die Damen und Herren aber dann zumindest noch einen kleinen Solo-Block, wobei mich leider die, laut eigener Aussage frisch einstudierte, Version von DEPECHE MODEs „Enjoy the Silence“ nicht so ganz überzeugen konnte. Viel besser klang da tatsächlich die STIMMGEWALT-Version eines Songs von Moran, dessen Titel mir leider entfallen ist.

Stimmgewalt2Ein schöner Beginn, doch der Abend sollte definitiv noch besser und vor allem heißer werden. Hatte man es im ersten Teil noch einigermaßen aushalten können, so machte sich spätestens nach der Pause, die die meisten nicht ohne Grund zum Luft schnappen vor der Tür genutzt hatten, wieder die für die TheArter Galerie typische Sauerstoffarmut in Verbindung mit tropischen Temperaturen bemerkbar. Etwa 100 in einem kleinen, niedrigen, schlauchartigen und mit schwarzem Molton abgehängten Raum zusammengepferchte Menschen in Verbindung mit ein paar Konzertscheinwerfern und dem völligen Fehlen einer Lüftung sind da einfach ein unfehlbares Rezept. Während ihre Zuhörer nur passiv vor sich hin dampften, hatte die arme Vic auf der Bühne ja aber auch noch zu arbeiten. Bereits ab dem dritten Song musste sie ihr Keyboard regelmäßig mit Vic Anselmo 2einem Handtuch „trockenlegen“. Ganz konnte sie es jedoch nicht verhindern, gelegentlich auf den feuchten Tasten abzurutschen. Aber die Künstlerin nahm es mit Humor. Schließlich war sie an diesem Abend nicht zum ersten Mal in der Galerie zu Besuch und auch beim Publikum bestand der überwiegende Teil aus Stammgästen, denen die „Umweltbedingungen“ hinlänglich bekannt waren. Und die haben durchaus auch ihre positiven Seiten, denn so ein gemeinsames Schwitzhüttenerlebnis schafft ja bekanntlich eine spirituelle Atmosphäre und erzeugt damit eine ganz eigene Verbindung zwischen den Transpirierenden. Dafür, dass sich schon bald die eingangs bereits erwähnte, wohlige Gänsehaut einstellte, waren aber natürlich in der Hauptsache VIC ANSELMOs ansteckend gute Laune und vor allem ihre großartige Stimme verantwortlich. Bei ihren Akustik-Konzerten drängt sich mir immer wieder der Vergleich zur jungen TORI AMOS auf, und zwar in der Weise, dass sich besagte Dame von Vic inzwischen eine gehörige Scheibe abschneiden könnte. Neben ihren eigenen Stücken, darunter so großartige Songs wie „Cody“, „Who Disturbs The Water“, „Another Train“ oder die Ode an ihren Zahnarzt „Open Wide“, brachte Vic an diesem Abend auch einige Cover zu Gehör. Mit wunderschönen Versionen etwa von BEN E. KINGs „Stand By Me“ oder LEONARD COHENs „Halleluja“ demonstrierte sie auch hier ihre Ausnahmestellung. Denn gerade letzteren Song, so inflationär er inzwischen leider Vic Anselmo 1geworden ist, dürfen in meinen Augen (Ohren) eigentlich nur sehr sehr wenige wirklich ungestraft covern. Bei VIC ANSELMO war das einmal mehr nicht Blasphemie, sondern eine würdige Hommage und ein wirklicher Genuss. Der vom Publikum beigesteuerte leise Chor tat ein übriges, um einen spätestens an diesem Punkt vollständig dahinschmelzen zu lassen.

Der einzige kleine Wermutstropfen an diesem mehr als gelungenen Abend war vielleicht nur, dass es nicht einen neuen Song zu hören gab. Die Erklärung dafür ist allerdings so einfach wie einleuchtend: Das neue Album, an dem die Künstlerin gerade arbeitet, wird sich wieder deutlich von der Akustik-Schiene entfernen, wie uns Vic im Interview vor dem Konzert verriet. So sehr man damit aufs neue Material gespannt sein darf, so beruhigend ist allerdings auch ihre Versicherung, dass sie trotz der anstehenden musikalischen Veränderung auch in Zukunft nicht auf gelegentliche „Unplugged“-Konzerte verzichten will und wird. Ich denke jeder, der an dem Abend in der TheArter Galerie dabei war wird mir zustimmen, wenn ich sage: gottseidank! Denn die sind wirklich jedes Mal ein ganz besonderes Erlebnis.

Florian Hessler

Über Florian Hessler

Archäologe, Historiker und freier Journalist (u.a. Zillo Medieval, Sonic Seducer, Miroque, Metal-District, Piranha) floh.hessler(at)schubladenfrei.de
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