POPES OF PAGANISM – München, Spectaculum Mundi

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Die Legenden sind zurück!

Einst reichte Ihr Kultstatus von Trondheim bis Cannes. Hinter den POPES OF PAGANISM verbirgt sich eine lange verschollene und leider völlig zu Unrecht in Vergessenheit geratene Band. Ähnlich wie die legendären FRAKTUS, die inzwischen wieder allgemein als Begründer des Techno gelten, kann, nein muss man die POPES als die eigentlichen Schöpfer des Pagan Folks bezeichnen. Und nicht nur das. Auf ihrer Kult-Debütscheibe „OM-Winzipusti“ erfanden sie 1985 gar den Takt! Nach einem 20jährigen Burn Out sind sie nun im Original Line Up wieder zurück. Das Auftaktkonzert ihrer Reunion World Tour – leider auch das einzige auf deutschem Boden – musste sogar aufgrund der Nachfrage von der Münchner Olympiahalle ins Spectaculum Mundi verlegt werden. Wir waren an diesem denkwürdigen Abend für Euch dabei.

Da die Musikgruppe, von der im folgenden Artikel die Rede sein wird, nicht ganz unumstritten und in manchen Ländern sogar nach wie vor verboten ist, weisen wir darauf hin, dass die Namen der Bandmitglieder zum Schutz der Betroffenen geändert wurden. (Anm. d. Red.)

Für das Spectaculum Mundi war die Verlegung natürlich ein ungeahnter Glücksfall, konnte damit dem Programm zum 20jährigen Jubiläum der Veranstaltungsreihe „Musica Antiqua Viva“ mit einem Konzert gekrönt werden, wie es so schnell kein zweites mehr geben wird.

PoP_0134Aber natürlich traten die POPES nicht sogleich vor ihr Publikum, sondern hatten sich, wie es einer wahrhaft großen Band ansteht, eine Vorband mit auf Tour geholt. So wurde der Abend also zunächst eröffnet durch die junge, vielversprechende Nachwuchsband FAUN. Deren Support-Slot fiel jedoch denkbar kurz aus. Lediglich die Spielzeit für einen (!) Song wurde ihnen von ihren großen Vorbildern gewährt. Trotzdem durften sich die Youngster über alle Maßen geehrt fühlen, denn selbst für nur einen Song die Bühne mit diesen Legenden zu teilen ist mehr, als den meisten Menschen in ihrem Leben je zu Teil wird. Mit dem Lied „Rosmarin“ stellten sich die Musiker dem Münchner Publikum vor, das sich dem Stück gegenüber sehr aufgeschlossen zeigte.  Und auch wir fanden, dass da durchaus Potential erkennbar war. Wenn die Band in Zukunft ihr textliches Repertoire nicht nur auf Küchenkräuter beschränkt, könnte da durchaus was gehen!

Bei allem Wohlwollen war allerdings stets spürbar, dass die Anwesenden eigentlich nur sehnsüchtig auf den Hauptact des Abends wartete. Rasch wurden die jungen Musiker deshalb vom Tourmanager der POPES wieder von der Bühne gescheucht, um die sowieso schon bedeutende Umbaupause nicht noch unnötig in die Länge zu ziehen.

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Schon das episch zelebrierte Intro, bei dem ein niederer Priester in demütig erdfarbener Robe ehrfurchtsvoll jene ankündigte, die da in wenigen Augenblicken die Bühne betreten sollten, machte auch dem letzten klar, dass man hier einem Musik- und Konzerterlebnis beiwohnte, das das eigenen Leben nachhaltig verändern würde. Denn selbst nichtreligiöse Existenzen spürten, dass die Götter SpAsgards, allen voran Gönndir, der Schutzpatron der Band, ihr numinoses Antlitz an diesem Abend wohlwollend über dem Spectaculum Mundi leuchten ließen.

Kein Wunder also, dass, als die sechs Kulturheroen schließlich ihrem Publikum nach zwei Dekaden der Abstinenz zum ersten Mal wieder gegenübertraten, ein wahrhaft tosender Applaus aufbrandete. In weiße, wallende Gewänder gehüllt und mit den charakteristischen PoP-Hüten auf den inzwischen leicht gealterten Häuptern, eröffnen sie ihr Set mit dem Titeltrack ihres seinerzeit weltweit gefeierten Debüt-Albums „Om Winzipusti“.

PoP_0108Der zweite Song, „Krakau“, war dann gleich den dramatischen Ereignissen gewidmet, die sich in den ausgehenden 80er Jahren in der gleichnamigen polnischen Stadt zugetragen hatten, und die damals einen Wendepunkt in der Geschichte der Band bedeuteten und nicht zuletzt zu der langen Burnout-Pause führten.

Das Trauma von Krakau und seine Folgeerscheinungen waren damit auch mitschuldig daran, dass die Songs der Band im Laufe der letzten 20 Jahre nicht nur beim Publikum, sondern sogar bei der Band selbst in Vergessenheit geraten waren. Daher liehen sich die POPES kurzerhand einige Stücke von ihrer Supportband aus, die sie damit noch einmal zusätzlich adelten, mit deren Namen sie allerdings immer wieder Schwierigkeiten hatten. Doch egal, ob diese Band nun FLAUM oder FRAUN heißt, auch die Coverstücke taten der Begeisterung der Anwesenden über das langersehnte Wiedersehen mit den POPES keinen Abbruch. Selbst wenn Oberpapst Olyver der Satirische lediglich „irgendwas mit Nyckelharpa“ ankündigte, ließ der Applaus die Wände wackeln. Aufmerksame Zuhörer konnten in vielen der Songs übrigens bemerkenswerte Textänderungen zur flaum’schen Originalversion finden.

In vielen der neuen Textpassagen nahm sich die Band aufs trefflichste selbst auf die Schippe. So spielten Zeilen wie „Dieser Key Song begeistert die Massen, nun haben wir mehr Geld zum Verprassen“ auf das der Band oft nachgesagte Streben nach kommerziellem Erfolg an. Dass eine Band mit einem derart legendären Status auch nach so vielen Jahren der bösartigen Polemik noch zu so erfrischender Selbstironie fähig ist, – einer Eigenschaft, die einigen Kollegen in diesem Genre leider gänzlich abhandengekommen zu sein scheint – untermauerte eindrucksvoll, dass die POPES nicht umsonst als die einzige Paganfolk-Formation gelten dürfen, die wirklich „true“ geblieben ist.

PoP_0130So wurde Song um Song von den Anwesenden (zurecht) frenetisch abgefeiert. Wenn man unbedingt Kritik üben wollte, so könnte man höchstens anmerken, dass das Stück „Alba II“ zumindest bei einigen im Publikum gemischte Reaktionen hervorrief – diese hätten sich wohl eher die althergebrachte, langsamere Variante gewünscht. Doch diese Traditionsfreunde wurden gleich anschließend versöhnt: Nachdem er das Publikum zunächst mit der Bemerkung anzustacheln versuchte, dass die Euphorie und die Lust am mitsingen in den 80ern deutlich höher waren (und das LSD besser), griff MC Hawayy zum Äußersten und leitete die „Walpurgisnacht“ mit einem derart urigen Jodeln ein, dass einer seiner Mitmusiker anschließend gewisse Schwierigkeiten hatte, die Contenance wiederzuerlangen. Trotz der diversen Lachanfälle gelang es der Band schließlich irgendwann doch noch, den Song zu spielen.

PoP_0144Überhaupt: Ob mit Blumenkette und Megaphon in bester SEEED-Manier bei „Mayenzeit auf Hawayy“, bei dem die Damen der Band übrigens mit Hula-Einlagen im Baströckchen glänzten, oder mit dem grandiosen Rap-Part bei der wohl poetischsten jemals gespielten Version von „Diese kalte Nacht“ (das übrigens vor dem eigentlichen Ende abgebrochen werden musste, da der Leadsänger zum wiederholten Male den Text vergessen hatte): MC Hawayy mauserte sich eindeutig zum heimlichen Star des Abends. Oder wie es Oly ausdrückte: „Immer, wenn er mit Sonnenbrille auf die Bühne kommt, habe ich ein bisschen Angst.“

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Ein weiteres Highlight war schließlich auch das brandneue, von der Kultserie „Game of Thrones“ inspirierte, Stück „Feuer“, das die Band an dem Abend erst zum zweiten Mal überhaupt live zu Gehör brachte. Mit dem Song bewies Sängerin L’Aurá eindrucksvoll, dass sie ihren  Beinamen „die Liebliche“ nicht nur ihrer bezaubernden Erscheinung, sondern auch und vor allem der Schönheit und Kraft ihrer Stimme verdankt. Gänsehaut pur!PoP_0191

Nach grandiosen zwei Stunden hätte man meinen mögen, damit wäre der Gipfel schon erreicht, doch mitnichten. Mit der letzten Zugabe setzten die POPES noch einen drauf! „Das folgende Stück wurde noch nie live aufgeführt. Jetzt kommt Kunst“, lautete die lapidare Ankündigung von Chefpapst Oly und die von Elektronik-Papst „The Dreadful“ Mítra (übrigens der Namensgeber der kultigen POPES-Kopfbedeckung, Anm. d. Red.) und Maul dem Trommler dargebotene szenische Lesung des Stücks „Tanz mit mir“ erfüllte dieses Versprechen voll und ganz. Als hätte die Leistung der beiden Schauspiel-Koryphäen nicht allein schon das Prädikat „extrem großes Kino“ verPoP_01135dient gehabt, zauberten die POPES dazu auch noch einen ganz besonderen Gaststar aus dem Hut: Niemand anderes als Ernst Horn von DEINE LAKAIEN nahm am Klavier Platz, um das Ganze musikalisch zu untermalen. Bei diesem Kulturgenuss musste man sich ernsthaft fragen, wie das Lied von den Kritikern jemals so verrissen werden konnte und warum es nach wie vor so vielen Vorurteilen und Anfeindungen ausgesetzt ist.

Nach diesem so grandiosen wie überraschenden Höhepunkt war es dann leider wirklich vorbei. Doch vielleicht war das auch besser, Lachmuskeln und Zwerchfell hatten nun definitiv eine Erholungspause nötig. Denn der Spaß war es, der an diesem Abend im Vordergrund stand und der allen Beteiligten, ob auf oder vor der Bühne deutlich anzumerken war. Da machte es auch nichts, dass Fýona die flötende Fee das ganze Konzert über mit technischen Problemen wie einem verstimmten Dudelsack oder widerspenstigen Klemm-Mikrophonen zu kämpfen hatte und auch allgemein der Sound manchmal etwas besser hätte sein können. Alles Nebensache – es war EPISCH!

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Alle, die dieses einmalige Ereignis verpasst haben, dürfen sich also gehörigst in den Allerwertesten beißen und werden sich wahrscheinlich noch in hundert Jahren darüber ärgern! So bleibt mir zum guten Schluss nur, in seliger Verzückung auszurufen:

 

POPES for president! POPES for pope!! POPES forever!!!

(And remember: „NOTHING is sacred – only humor.”)

 

 

Setlist:

 

 

FAUN:

Rosmarin

POP:

Om Winzipusti

Krakau

Iduna

Alba II

Walpurgisnacht

Nacht des Nordens

Mayenzeit auf Hawayy

Drehleier Intro

Blaue Stunde

Feuer

Odin

Pearl

Diese Kalte Nacht

Wind und Geige

Rhiannon

Wenn wir uns Wiedersehen

Tanz mit mir

 

 

Florian Hessler

Über Florian Hessler

Archäologe, Historiker und freier Journalist (u.a. Zillo Medieval, Sonic Seducer, Miroque, Metal-District, Piranha) floh.hessler(at)schubladenfrei.de
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