Paradise Lost – Huxleys Neue Welt, Berlin

Die Väter des Gothic Metal und Death Dooms gaben sich am 9.10.2015 wieder einmal die Ehre in Berlin: Die bereits 1987 im englischen Yorkshire gegründete Metal-Kombo PARADISE LOST lehnt getreu dem Namen unserer Webseite zwar jegliche Schubladen ab, war und ist aber stilprägend. Das aktuelle Album „The Plague Within“ war dabei ebenso im Gepäck wie ältere Stücke.

Zunächst jedoch unterhielt Johanna Sadonis mit ihrer erst im August letzten Jahres gegründeten Formation LUCIFER die Menge, die locker als ein ZZ-Top-Lookalike-Contest (aber mit Dreadlocks!) hätte durchgehen können – der gereifte Metalbräutigam hatte mit seiner gereiften Metalbraut die Kinder ins Bett gebracht und sich entschieden, doch in Erinnerung an alte Zeiten noch mal etwas rauszugehen. Entsprechend lag der Altersdurchschnitt im an diesem Abend gut gefüllten Huxeleys wohl so um die 35.

LUCIFER lieferten nun also die solide Soundunterstützung zum Warmlaufen und -trinken. Letzteres hatte ihre Frontfrau wohl schon weidlich früher begonnen und blieb dadurch – auch nach Eigenauskunft schon leicht beschwippst – etwas hinter der handwerklich sehr guten Leistung ihrer Bandkollegen zurück. So hielt sich der Unterstützungsapplaus in Grenzen, als sie meinte, dass sie noch gerne länger performen wollte, und es kam zu keiner Zugabe. Dafür hatten die Stagehands genug Zeit für einen gemächlichen Umbau.

paradiselost1Nach dieser Umbaupause kamen dann endlich die sehnsüchtig erwarteten Herren von PARADISE LOST zu ihrem Einsatz: ohne viele Schnörkel, ohne großes Auftrittsritual und nur mit sparsamer Deko. Lediglich das Banner des aktuellen Albums „The Plague Within“ zierte den Bühnenhintergrund. Dies korrespondierte aber wunderbar mit dem industriellen Charme des Saals an diesem Abend: Unverkleidete Lichttraversen und der Verzicht auf Nebelmaschine oder ähnliches schufen das industrielle Flair harter, ehrlicher Arbeit – genau richtig also für die working-class heroes um Sänger Nick Holmes, dessen Schatten sich oft übergroß an der Wand zeigte wie der eines Schmiedes in einer Metalschmiede.

paradiselost8Nachdem auch die Soundcrew im Rahmen des ersten Songs „No Hope In Sight“ vom aktuellen Album die Spielfreude der beiden  Gitarristen Gregor Mackintosh und Aaron Aedy sowie Bassist Steve Edmonson qualitätsmäßig in den Griff bekommen hatte, stand dem Metalgenuss denn auch keine Übersteuerung mehr im Wege: bereits beim dritten Song „Gothic“ wurde das Publikum deutlich abgeholt und mitgenommen – es kam Bewegung ins Auditorium. Der Jubel war laut als Nick Holmes vom letzten Auftritt an gleicher Stelle erzählte, der sich zwar schon Anno 1997 zugetragen hatte, den wohl aber viele der Anwesenden schon miterlebt hatten.

paradiselost5Die Kombination aus Stücken vom neuen Album -melodischer, getragener- mit klassischen Stücken -härtere Bretter der Metalgeschichte- ging generell auf und beides funktionierte zusammen hervorragend. Harte Gitarrenriffs bildeten zusammen mit elektronischen Einsprengseln eine explosive Mischung, die wohl auch auf der Bühne teilweise zu erhöhtem Sauerstoffbedarf führte und dazu, dass die Musiker desöfteren zwischen den Songs kurz mal hinter den Kulissen verschwanden. Ob dort ein Beatmungszelt oder sonstige Entspannungs-Utensilien warteten, blieb jedoch unklar…

Eine selbstironische Reflektion des eigenen Schaffens wurde deutlich, als Nick Holmes während des Medleys aus „Cry out“ und „Beneath Broken Earth“ riet,  im Zweifelsfall die Toilette für eine Pinkelpause aufzusuchen, wenn es einem zu miserable dabei werden sollte…

Mit „As I Die“ wurde die Schraube dann nochmals deutlich angezogen, so dass nun Schweißperlen auch die Stirnen der letzten Fans bevölkerten. Und offensichtlich verlangte dies auch den Musikern einiges ab, so dass sie danach erst einmal für längere Zeit hinter der Bühne verschwanden.

paradiselost7„Return To The Sun“ brachte dann auch die Wiederkehr auf die Bühne – allerdings nicht für lange, denn nach drei weiteren Songs und relativ abrupt flogen Drumsticks und Plektren ins Publikum und unvermittelt ging das Abbaulicht an – nach netto etwa einer Stunde Konzert und so unwiderruflich, dass es kaum zu Zugabeforderungen kam. Sehr schade, denn eigentlich hatte man Appetit auf mehr.

Im Fazit lässt sich sagen: solide abgeliefert, aber ein Nachschlag wäre gut gewesen, gerade in so stimmigem Setting.

Über Carsten Berger

Kulturpolitiker im Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf, Metalfan, Administrator von Schubladenfrei - webmaster@schubladenfrei.com
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